Wir
erleben die Morgendämmerung einer neuen Welt. Der demokratische
Frieden läuft an, und die globale Gewalt verschwindet. Es
sind noch fünf Stunden bis zu universellem Frieden und Sicherheit.
In den Jahren 1900 und 1955 war es Nacht, eine dunkle Zeit
für die Menschheit – es gab viel weniger Demokratien, und
der demokratische Friede mußte erst anbrechen.
Fragen
und Antworten
Ist diese
Uhr nicht lächerlich, wo am 11. September Terroristen ungefähr
2800 Menschen in New York ermordeten und Amerika und seine
Verbündeten sich nun im Krieg gegen den Terrorismus und gegen
jene befinden, welche die Terroristen mit Massenvernichtungswaffen
unterstützen können?
Nein.
Es gibt zwei Gründe dafür, daß dies die Demokratische Friedensuhr
nicht ungültig macht. Einer ist der, daß die Zahl der betreffenden
Toten vergleichsweise gering ist im Vergleich zu früheren
gewalttätigen Konflikten und nichts am unten aufgezeigten
Abwärtstrend ändert. Der zweite Grund ist, daß der von den
USA erklärte Krieg gegen den Terror allem Anschein nach weniger
Gewalt und Tote verursachen wird als vergangene Kriege. Und
außerdem ist die Tatsache selbst, daß viele Demokratien sich
vereinigt haben, um die Geißel des Terrorismus auszurotten,
ein Zeichen dafür, daß die Welt sich hin zu einem demokratischen
Frieden bewegt. Das rührt daher, daß die Terroristen, welche
New York angriffen, eine radikale fundamentalistische und
völlig antidemokratische Bande ist. Deren Eliminierung bedeutet
Fortschritt auf dem Weg zum Frieden.
Was
ist demokratischer Frieden?
Es
ist ein Netz aus Tatsachenbehauptungen, die besagen, daß:
· Demokratien
keinen Krieg gegeneinander führen
· Je demokratischer
zwei Nationen sind, desto geringer die Gewalt gegeneinander
ist
· Demokratien
die geringste gegen das Ausland gerichtete Gewalt aufweisen
· Demokratien
bei weitem die geringste inländische Gewalt aufweisen
· Moderne
Demokratien weisen so gut wie keinen Demozid (Genozid und
Massenmord) auf
Wenn
man all dies zusammennimmt, dann ist Demokratie eine Methode
der Nichtgewalt. Und das ist der Grund für den demokratischen
Frieden.
Was ist
die demokratische Friedensuhr (DFU)?
Sie
mißt den demokratischen Fortschritt in der Welt und zeigt
somit an, wie nahe wir daran sind, Krieg und Demozid (Genozid
und Massenmord) zu eliminieren und andere Formen kollektiver
Gewalt zu minimieren. Jedes Prozent Zuwachs beim demokratischen
Anteil der Weltbevölkerung bedeutet ein Vorschreiten der Uhr
um 58,2 Sekunden – etwa eine Minute. Mitternacht, also die
dunkelste Zeit der Nacht, hatten wir, als es keine Demokratien
gab und Gewalt und Aufruhr die gesamte Welt umspannten. Es
wird Mittag, wenn die Sonne ganz auf die Erde scheint und
wenn die ganze Welt demokratisch sein und daher Frieden herrschen
wird. Im Jahre 1950 waren 31 Prozent der Weltbevölkerung demokratisch,
was noch kein ausreichender Prozentsatz war, um den Weltfrieden
herbeizuführen. Auf der DFU hatten wir 3:43 Uhr, es war also
noch tiefe Nacht. Im Jahre 2000 dagegen hatten wir 120 Wahldemokratien,
oder eine demokratische Weltbevölkerung von 58,2 Prozent,
also mehr als die Hälfte, und dies wirkt sich schon sehr positiv
auf den Weltfrieden aus (wie unten empirisch belegt wird).
Die DFU zeigte 6:59 Uhr an, und es dämmerte. Im Jahre 2001
schloß sich Gambia der Liste der Demokratien an, was die Gesamtzahl
auf 121 Wahldemokratien von insgesamt 194 Ländern erhöhte.
Es gibt 86 liberale Demokratien, in denen man bürgerliche
und politische Rechte genießt.
Die Fakten
zum demokratischen Frieden beziehen sich auf Nationen. Die
demokratische Friedensuhr (DFU) betrifft die Welt, welche
von einigen das internationale System genannt wird. Wie kann
man den demokratischen Frieden auf die Welt als ganzes beziehen?
Da
die Friedenszone unter den demokratischen Nationen sich mit
dem Wachstum der Anzahl der Demokratien vergrößert, muß die
Zone der Gewalt und des Aufruhrs kleiner werden, doch die
Heftigkeit der Gewalt kann immer noch ansteigen oder gleichbleiben,
während die Zahl der darin verwickelten Nationen abnimmt.
Es ist jedoch eine vernünftige Annahme, daß die abnehmende
Zone der Gewalt und des Aufruhrs auch zu einem Abnehmen der
gesamten Gewalt und deren Intensität führt. Doch es wird nicht
bei einer Annahme bleiben. Ich werde zeigen, daß dieser Effekt
des demokratischen Friedens in der Welt tatsächlich vonstatten
geht, nachdem ich einige einleitende Fragen behandle.
Was sind
Ihre Belege für den demokratischen Frieden (DF)?
Für
einen nicht-technischen Überblick, sehen Sie sich die Kapitel
5-7 in meinen Buch Saving
Lives, Enriching Life an. Zu Artikeln, Kapiteln und
Büchern über den DF gelangen Sie durch das Klicken auf „demokratischer
Frieden“ oben auf der Seite. Die Links oben führen Sie auch
zu den Veröffentlichungen über den DF im Netz. Zusammenfassend
kann man über all dieses Material sagen, daß verschiedene
Forscher den DF wieder und wieder anhand verschiedener Daten
getestet haben, in Bezug auf diverse Jahre und mit verschiedenen
Methoden. Die Behauptung, daß der DF eine nagelfeste Gesetzmäßigkeit
der inter- und intranationalen Politik darstellt, ist nun
wissenschaftlich begründet.
Wie würden
Sie Demokratie definieren?
Darüber
habe ich viel geschrieben. Sehen Sie zum Beispiel das Kapitel 3 des oben erwähnten
Buches.
Für
die DFU habe ich eine eingeengte Definition von Demokratie
verwendet, die ich im obengenannten Kapitel „liberale Demokratie“
genannt habe. Dies ist eine Demokratie, die über den elektoralen
Aspekt der Demokratie (geheime Wahl, ausgedehntes Stimmrecht,
regelmäßige Wahlen zu den höchsten Ämtern etc.) hinausgeht
und grundlegende bürgerliche Freiheiten und politische Rechte
mit einschließt, wie etwa Rede-, Religions-, Versammlungs-,
Vertragsfreiheit usw. Obwohl sowohl rein elektorale als auch
liberale Demokratien zum demokratischen Frieden beitragen,
habe ich für mein Ziel, nämlich herauszufinden, wo wir uns
auf unserer Suche nach Frieden und in Bezug auf die entsprechenden
Zukunftsaussichten befinden, mich für die DFU auf die demokratischsten
Staaten fokussiert, jene also, deren demokratischer Charakter
am wenigsten in Frage zu stellen ist, und welche die stärksten
Beiträge zum demokratischen Frieden leisten. Das macht die
demokratische Friedensuhr zu einem sehr konservativen Instrument
– wenn sie falsch geht, dann höchstens, indem sie den demokratischen
Frieden unterschätzt und sich somit in Bezug auf die bis Mittag
verbliebenen Stunden verschätzt.
Wird
der Fortschritt der DFU nicht auch davon abhängen, wieviel
Prozent der Bevölkerung nicht frei sind, also unter Autokratien
oder totalitären Systemen lebt?
Ja,
man muß in Erinnerung behalten, daß es unter den Nicht-Demokratien
solche gibt, die zum Teil frei sind, wie zum Beispiel Rußland,
Kolumbien und die Türkei, und auch solche, die völlig unfrei
sind, wie früher die Sowjetunion und heute Nordkorea, Irak
und Sudan. Es mag wohl wahr sein,
daß der Prozentsatz an der Weltbevölkerung sowohl der demokratischen
als auch der nicht freien Länder ansteigt, indem die Zahl
der zum Teil freien Länder abnimmt. Dies mag sehr wohl den
Impuls des demokratischen Friedens hemmen oder verhindern.
Wenn natürlich der demokratische Prozentsatz 50% übersteigt
und sich 90% annähert, dann muß der relative Prozentsatz der
Unfreien schließlich auch zurückgehen. Der Impuls kann also
verzögert werden, doch da die Zahl der Demokratien weiterhin
ansteigt, muß dies mit der Zeit eine Reduzierung von Gewalt
mit sich bringen. Der Trend beim Prozentsatz der nicht-freien
Bevölkerung ist daher von Interesse, und in den Daten zum
Trend weiter unten werde ich beides vorlegen.
Ihre
DFU weist für 1900 null Demokratien auf. Wie können Sie das
sagen? Was ist mit den USA, Großbritannien, Frankreich und
anderen?
Denken
Sie daran, daß die Zeit der DFU die liberalen Demokratien
mißt. Im Jahre 1900 waren bürgerliche und politische Rechte
weltweit beschränkt. Selbst in den USA durften Frauen nicht
wählen (dies allein schließt etwa 50% der Bevölkerung vom
Wählen aus), und die Gesetze legten Schwarzen bezüglich Wahlrecht
und anderer Rechte erhebliche Restriktionen auf.
Nun gut,
was sind denn Ihre Datenquellen zur Demokratie?
Abb.1
Für
die DFU habe ich die Nationen-Ratings von Freedom House in
Bezug auf Freiheit, partieller Freiheit und Nichtfreiheit
verwendet. Deren Ratings sind die Summe einiger Messungen
der politischen und bürgerlichen Rechte und Freiheiten, und
das, was sie als freie Nationen auflisten, korrespondiert
mit dem, was ich liberale Demokratien nenne. Auch die Unfreien
stammen von der selben Quelle. Die besonderen Daten, die ich
für die DFU verwendete, sind in Abbildung 1 zu sehen (klicken
Sie auf diese und alle folgenden Abbildungen, um sie zu vergrößern
und damit verbundene Daten, Quellen, Kurvendiagramme und jegliche
anderen betreffenden Richtzahlen zu sehen).
Wie
man anhand der Abbildung sehen kann, hat der Prozentsatz der
Demokratien in der Welt im letzten halben Jahrhundert (die
blaue Kurve hier und in den folgenden Abbildungen) stetig
zugenommen, während der Prozentsatz der unfreien eine scharfe
Abwärtskurve aufweist. Dieser Abfall läßt sich besser in den
jährlichen Ratings von Freedom House zwischen 1972 und 2000
ablesen, wo die nicht bewerteten Jahre zwischen 1900 und 1950
sowie 1950 und 1972 interpoliert sind. Die Diagramme sind
in Abbildung 2 zu sehen. Wie man sehen kann, geben uns die
ausführlicheren Daten nur eine Verfeinerung des in Abbildung
1 Gezeigten.
Abb
.2
Wie konsistent
sind die Ratings von Freedom House mit anderen, unabhängig
davon gesammelten Daten über Demokratien?
Unter
Politikwissenschaftlern und Studenten der internationalen
Beziehungen werden als Daten über Demokratie und Autokratie
am öftesten die Datensätze von POLITY über politische Systeme
herangezogen, die von Ted Robert Gurr und seinen Mitarbeitern
erhoben werden. Sie befinden sich nun mit POLITY IIIb in der
dritten Überarbeitung und Erweiterung. Ich benutzte diese
Daten, um deren Messungen von Demokratie und Autokratien zwischen
1900 und 1994 darzustellen. Die Ergebnisse sind in Abbildung
3 zu sehen.
Abb
.3
Wie
man sehen kann, geht der Trend bei beiden, was die Zahl der
Demokratien und Autokratien angeht, in die selbe Richtung,
auch wenn sie beim Steigungsgrad im Vergleich zu Abbildung
2 abweichen.
Matthew
White liefert ein Balkendiagramm mit Mehrparteien-Demokratien
zusammen mit neun anderen Staatsformen zwischen 1902-1997.
Aufgrund der Daten dieses Diagramms habe ich Abbildung 4 auf
der rechten Seite konstruiert. Wie man sieht, entspricht der
Trend dem oben Gezeigten.
Abb
.4
Schließlich
gibt es die Zahl der Demokratien, die von George Modelski
und Gardner Perry zwischen 1800 und 1986 festgelegt wurde.
Sie verwenden die POLITY-II-Daten von Gurr und dessen Kollegen,
doch sie aggregieren die Kennziffern von Polity auf eine andere
Weise als dies bei den in Abbildung 3 verwendeten Daten geschah.
Die von ihnen als solche definierten Demokratien heißen bei
ihnen institutionalisierte Demokratien. Ein Diagramm der Demokratien
ist in Abbildung 5 links zu sehen.
Abb
.5
Insgesamt
bringen die verschiedenen Datenquellen ähnliche Diagramme
über das jährliche Wachstum der Demokratien hervor, ob nun
gemessen in Bezug auf die Anzahl der Demokratien oder auf
den entsprechenden Prozentsatz der Weltbevölkerung. Darüber
hinaus zeigen die Diagramme eine Beschleunigung dieses Wachstums
zwischen 1980 und 1990.
Als
Resultat von alledem bin ich sicher, daß es ein langfristiges
signifikantes Anwachsen von Demokratien gab, so wie sich dies
in der DFU widerspiegelt.
Was ist
mit Nicht-Demokratien, insbesondere totalitären und absolutistischen
Staaten? Nimmt deren Zahl ab, während die der Demokratien
wächst, so daß der Demokratische Frieden sich einstellt?
Diese
Abnahme geschieht durchaus, wie anhand der Abbildungen 1,
2 und 3 (rote Kurven) gesehen werden kann.
Wo
Messungen darüber verfügbar waren, zeigte sich bei nicht-freien,
autokratischen und totalitären Regimen klar eine scharfe Abnahme
in Zahlen oder im Prozentsatz der Weltbevölkerung, eine Abnahme,
welche in den 70ern oder 80er Jahren begann. Das stützt auch
den Befund, daß der demokratische Frieden, so wie von der
DFU angenommen, eingetreten ist.
Schön
und gut, doch läßt diese Entwicklung tatsächlich die Gewalt
in der Welt abnehmen?
Abb.
6
Betrachten
wir zunächst die größte Quelle von Gewalt in der Welt während
des 20. Jahrhunderts, nämlich Demozid. Der eine oder andere
Staat ermordete mehr als vier mal so viele Menschen wie in
Schlachten in allen Kriegen im Aus- und Inland während des
Jahrhunderts getötet wurden. Hat Demozid abgenommen? Abbildung
6 zeigt, daß dies der Fall ist. Der größte staatliche Demozid
fand während und in den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs statt,
als eine Gruppe kommunistischer Staaten geschaffen wurde.
Seitdem ist Demozid, bei abnehmenden Intervallen, auf dem
Rückzug. Wenn eine Trendkurve an diese Entwicklung angelegt
wird (klicken Sie dafür auf die Abbildung), dann können wir
sehen, daß Zu- und Abnahme von Demozid sich wie die Flugbahn
eines weggeworfenen Objekts verhalten, mit einem Höhepunkt
während des Krieges. Im wesentlichen reflektiert Demozid den
Aufstieg und Niedergang der totalitären Macht, der bislang
schlimmsten Ursache für Demozid. (Die Diagramme über Autokratien
und totalitäre Regime in den Abbildungen 2 und 3 verschleiern
Aufstieg und Fall totalitärer Macht, da sie auch Autokratien
beinhalten). Dazu siehe Kapitel 23 in Statistics of Democide.
Abb.
7
Wir
können auch auf das Diagramm mit der Anzahl der Gefallenen
in Kriegen und Rebellionen schauen. Dieses ist in Abbildung
7 zu sehen und zeigt die hohe Anzahl von Toten in den beiden
Weltkriegen sowie im Korea- und im Vietnamkrieg.
Abb.
8
Die
wichtigsten Daten über Gewalt für die DFU stellen die kombinierten
Todeszahlen für Demozid, Krieg und Rebellion dar. Diese sind
in Abbildung 8 zu sehen, welche sehr gut den Abfall der Todeszahlen
seit dem Zweiten Weltkrieg zeigt. Selbst wenn man diesen Krieg
aller Kriege und den ihn begleitenden Demozid ignoriert und
sich nur auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentriert,
gibt es immer noch einen klaren Rückgang über den Korea- und
Vietnamkrieg sowie die chinesischen, sowjetischen, vietnamesischen,
pakistanischen und kambodschanischen Mega-Demozide hinweg.
Auf der Basis dieser Zahlen kann es keinen Zweifel daran geben,
daß die Gewalt in der Welt während dieses halben Jahrhunderts
abnahm, während die Demokratie auf der ganzen Welt zunahm.
Und gibt
es irgendwelche anderen Daten, welche den Rückgang internationaler
und interner Gewalt unterstützen?
Es
gibt viele Datenquellen über Gewalt, von denen jedoch die
meisten sich eher auf die Zahl gewalttätiger Konflikte beziehen
als auf die Größenordnung bei den Toten. Diejenigen, die Tote
zählen, beziehen ihre Daten normalerweise von einer der Quellen,
die auch ich benutze, nämlich die von J. David Singer und
seinen Kollegen gesammelten Daten im Correlates
of War Project. Es gibt jedoch eine andere Datenquelle
über Tote infolge von Gewalt, nämlich die vom Center for Systematic Peace.
Deren Daten basieren auf Schätzungen von Toten in größeren
zivilen und internationalen Gewaltkonflikten, und das Diagramm
aus all diesen Daten wird in Abbildung 9 gezeigt.
Auch
wenn es anhand des Diagramms schwer zu erkennen ist, so gibt
es doch einen Abwärtstrend bis 1960, ein leichtes Ansteigen
bis in die späten 80er Jahre und danach einen scharfen Abwärtstrend
(um die dazu passende polynome Regression zu sehen, klicken
Sie auf die Abbildung).
Abb.
9
Nun
sollen diese Daten auch Demozid beinhalten und tun dies auch
im Falle von zum Beispiel Ruanda, Burundi und Bosnien. Doch
der Zeitraum, in dem der größte Demozid ignoriert wurde, sind
die Jahre zwischen 1945 und den 70ern. Die Ersteller dieser
Daten haben nämlich nicht den Demozid in den meisten kommunistischen
Ländern berücksichtigt, die größte Quelle von Demozid in diesen
Jahren. Daher habe ich diese Daten in meinen Demozid-Daten
in Abbildung 6 hinzugefügt. Da diese Daten nur bis zum Jahr
1987 reichen, werden so die bereits berücksichtigten Daten
für Ruanda sowie den nachfolgenden Demozid im früheren Jugoslawien
nicht doppelt gerechnet. Das Ergebnis wird in Abbildung 10
gezeigt und gibt anschaulich die abnehmende Gewalt wieder.
Abb.
10
Dann
schauen Sie auf die letzten Diagramme (von 2/05) vom The Center For systematic Research:
Da
Demokratien innerhalb von 58 Jahren zunehmen, erreichen Sie
einen Höhepunkt im Jahre 1992, wonach bewaffnete Konflikte
rapide abnehmen. Und die letzten Daten über Konflikte zeigen
eine weitere Abnahme. Siehe meinen diesbezüglichen Blog-Eintrag.
Die
Antwort ist also ja: Andere Daten unterstützen die Annahme,
daß Gewalt auf der Welt im Rückgang begriffen ist.
Wann
traten denn die Effekte der Demokratie wirklich ein?
Nach
dem größten und tödlichsten Krieg der Welt, dem Zweiten Weltkrieg,
hätte man einen Rückgang der Gewalt als natürliche Anpassung
an das internationale System erwarten sollen. Doch statt sich
einzupendeln und seine normalen Höhen und Tiefen aufzuweisen,
hielt der Abwärtstrend an und hat sich tatsächlich seit den
80ern beschleunigt. Es scheint daher, daß der Effekt des prozentualen
Anstiegs der Demokratie in der Welt und des damit zusammenhängenden
Rückgangs von Menschen, die im Totalitarismus oder in Autokratien
leben, seine größte Wirkung in den 80er Jahren zeigte, ein
Effekt, der jedes Jahr mit dem Wachstum der Demokratien zunimmt.
Ok, doch
wie können Sie eine Vorhersage darüber machen, daß wenn wir
eine globale Demokratie haben, die Welt frei von Krieg und
Demozid sein wird?
Alle
Vorhersagen der Zukunft basieren auf der Vergangenheit. Unsere
gesamte öffentliche Politik sagt impliziterweise die sozialen,
politischen und ökonomischen Konsequenzen bestimmten staatlichen
Handelns vorher. Und sie basiert üblicherweise auf unsystematischen
Vermutungen, auf Intuition, besonderen Fällen oder gemeinsamen
Erfahrungen wie dem Appeasement gegenüber Hitler in München
1939, dem Kalten Krieg oder dem Vietnamkrieg. Sehr selten,
wenn überhaupt, basierte eine Vorhersage auf einer sorgfältigen
und systematischen Gewichtung aller relevanten Fälle. Eigentlich
kenne ich keine Forschung zu internationalen Beziehungen
oder zu komparativen Konflikten, die so viele positive Abgleiche
und solch soliden Resultate aufwiesen, wie jene, die der Demokratischen
Friedensuhr zugrundeliegen.
Doch
es gibt einen anderen Punkt, der in der Frage enthalten ist.
Es mag sein, daß wenn wir eine Welt der Demokratien haben,
ein neuer Faktor auftauchen kann, der unsere Vorhersage über
den Weltfrieden durcheinanderbringt. Forscher haben versucht,
dies zu antizipieren, indem sie nach verborgenen oder verdeckten
Faktoren (wie wirtschaftliche Entwicklung, unmittelbare Nachbarschaft,
Kultur, Religion, Region, Bevölkerungsgröße, Armut) suchten,
um die Beziehung zwischen Demokratie und Gewalt zu bestimmen,
doch keiner dieser Faktoren erwies sich als relevant. Zudem
gibt es eine gute Theorie zur Erklärung der Frage, warum Demokratien
einander nicht bekämpfen und warum sie Gewalt minimieren.
Und die Theorie und die empirischen Ergebnisse zusammen bringen
mich zur Demokratischen Friedensuhr. Dennoch existiert die
Möglichkeit, daß eine demokratische Welt den Vorhersagen trotzen
wird. Aber sollten wir denn auf der Grundlage dieser Ergebnisse
inaktiv bleiben, da etwas, was bislang nicht in Erscheinung
getreten ist und theoretisch auch nicht sollte, dennoch eine
sehr geringe Wahrscheinlichkeit hat, den Wirkungen der Demokratie
in Zukunft zuwiderzulaufen? Außerdem, wenn wir nicht auf der
Basis des Wissens, über das wir jetzt verfügen, handeln, dann
bedenken Sie, in welchem Ausmaß Frieden und Wohlstand für
die Welt verloren sein könnten, wenn wir uns den Weg von dieser
kleinen Möglichkeit, falsch zu liegen, verbauen ließen. Selbst
wenn es weitaus weniger Rückhalt für diese Vorhersage gäbe
als jetzt, müßten wir als Nation und Volk im Hinblick auf
diese Vorhersage agieren. Der globale Nutzen für die Menschheit,
wenn sie sich als richtig herausstellt, ist zu groß.
Sie schreiben,
im Hinblick auf die DFU „agieren“. Was meinen Sie damit?
Ich
meine, daß wir die Demokratisierung fördern und bewerben und
die Demokratie schützen und sichern sollten.
Wann
wird gemäß all ihren Diagrammen und statistischen Analysen
die Welt zumindest zu 90 Prozent demokratisch sein?
George
Modelski und Gardner Perry III haben die "Demokratisierung
auf lange Sicht" untersucht, und aus dieser Arbeit habe
ich die Abbildung 5 oben abgeleitet. Sie argumentieren, daß
die Demokratie einen Prozeß der innovativen Verbreitung auf
der ganzen Welt durchläuft, und daß deren Statistiken über
das Wachstum der institutionellen Demokratie dies zeigen.
1991, als deren Arbeit veröffentlicht wurde, behaupteten sie,
daß das Wachstum der Demokratie, das nach ihren Daten 40 Prozent
in den 80er Jahren erreicht, im Jahre 2003 50% übersteigen
sollte. Wir haben diese Marke bereits im Jahre 2000 erreicht.
Sie glauben, daß man die 90-Prozent-Marke im Jahre 2075 erreichen
kann, oder auch später, nämlich 2117, wenn man die Extrapolation
im Jahre 1875 statt 1900 beginnen läßt.
Doch
die Demokratisierung hat sich über das von ihnen Vorhergesagte
hinaus beschleunigt, und sie sind vielleicht zu pessimistisch.
Außerdem basiert ihr Projekt auf einer durchgehenden Linie,
die zu ihren Prozentsätzen paßt, während die Daten eigentlich
einen gekrümmten Trend zeigen. Als Kontrast dazu habe ich
dort, wo dies nötig war, die Trends als gekrümmte (klicken
Sie auf die Abbildung 5,
um diese Anpassung zu sehen) an die in den Abbildungen 1 bis
5 gezeigten Diagramme angepaßt. Die sich ergebenden Projektionen
sind in Tabelle 1 zu sehen.
Beachten
Sie, daß ich, obwohl ich eine gekrümmte Projektion für die
Daten von Modelski und Perry verwendet habe, lediglich bei
einem Jahr später, nämlich 1976, ausgekommen bin, in dem 90
Prozent der Weltbevölkerung demokratisch sein wird. Es ist
anzumerken, daß dies in der Tendenz mit den Projektionen von
Freedom House übereinstimmt.
Doch
wenn wir den Prozentsatz der demokratischen Staaten nehmen,
wie drei der Datenerhebungen dies taten, dann ergeben sich
weitaus optimistischere Vorhersagen. Sie geben uns eine durchschnittliche
Projektion für das Jahr 2022, in dem 90 Prozent der Staaten
demokratisch sein werden und für 2025, wenn alle Staaten demokratisiert
sein werden. Das muß nicht bedeuten, daß 100% der Weltbevölkerung
demokratisch sein wird, da es immer noch nicht-souveräne Territorien
und Kolonien geben kann wie etwa Puerto Rico, Hong Kong, Macao,
Nordirland, Tibet, Ostpapua, Amerikanisch Samoa, Kurdistan
etc.
Was
sollte also in Anbetracht all dieser Daten unsere Erwartung
an eine demokratische Welt sein? Zunächst einmal glaube ich,
daß der Anteil der Demokratien in der Welt eine kritische
Masse erreichen wird, wenn die bloße Masse und der überwältigende
Einfluß, der Wohlstand und die Macht die Demokratisierung
anderswo noch beschleunigen wird. Zweitens sind die Demokratien
bereits dabei, eine Gemeinschaft von Demokratien zu institutionalisieren,
um gemeinsam im Sinne ihrer gegenseitigen Interessen zu handeln.
Das kann ihren Einfluß in der Welt nur vergrößern und die
Demokratisierung vorantreiben. Selbst ohne diese Effekte der
kritischen Masse und der Gemeinschaft, sollten wir, wenn wir
die Durchschnittswerte in Tabelle 1 betrachten, eine 90-prozentige
Demokratisierungsquote um die Mitte des Jahrhunderts erwarten.
Wenn wir jedoch die Beschleunigung der Demokratisierung aufgrund
der kritischen Masse der Demokratien sowie die Demokratisierungspolitik
einer Gemeinschaft von Demokratien berücksichtigen, dann sage
ich voraus, daß 90 Prozent der Weltbevölkerung im zweiten
Viertel dieses Jahrhunderts demokratisch sein wird. Dann wird
die demokratische Friedensuhr auf 10:40 stehen, 1 Stunde und
20 Minuten vor Mittag. Und Krieg und Demozid werden ihrem
Ende entgegensehen – zum Wohle der Menschheit.