Wie
auf dieser Webseite gezeigt wird, (siehe z.B. Tabelle 1.2 in Tod durch Staat),
ermordeten Staaten zwischen 1900 und 1987 ungefähr 170 Millionen
Menschen. In Bezug auf diese Zahl werde ich oft gefragt, wie
viele dieser Morde seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945
passierten. Mit Beendigung jenes Krieges und der Entdeckung
der Größenordnung des Holocausts forderten viele „Nie Wieder“.
Doch unsere Geschichte seitdem war vielmehr ein „Wieder, wieder,
wieder und wieder.“
Von
1945 bis 1987 sind ungefähr 76 Millionen Menschen kaltblütig
von dem einen oder anderen Regime ermordet worden, ungefähr
dreizehn mal so viele wie im Holocaust ermordete Juden.
Der meiste Demozid geschah aus politischen Gründen (aus Staats-
oder Machträson), doch vieles davon war auch regelrechter Genozid
(das Töten von Menschen aufgrund ihrer Ethnizität, Rasse, Religion
oder Nationalität – zum Unterschied zwischen Demozid und Genozid
klicken Sie hier). Von 1900 bis 1987
sind auf der ganzen Welt ungefähr 39 Millionen Menschen, darunter
die Juden im Holocaust, genozidal getötet worden. Ich habe keine
Teilzahlen dieser Gesamtsumme für die Jahre nach dem Zweiten
Weltkrieg, doch es scheint, daß die Proportion des Genozids
zum gesamten Demozid ungefähr gleichgeblieben ist. Demnach gehen
nach dem Zweiten Weltkrieg ungefähr 20 Millionen Ermordete auf
das Konto von Genozid.
Die
größte Quelle von Nachkriegs-Demozid war der Kommunismus
(siehe kommunistische
Todesbilanz). Während und nach dem Krieg ergriffen Kommunisten
die Macht oder kamen wie in Osteuropa mithilfe des sowjetischen
Militärs an die Macht. Neben der UdSSR, der Mongolei, den osteuropäischen
Regimen, Ostdeutschland und der Tschechoslowakei gehörten zu
den kommunistischen Regimen schließlich auch China, Nordkorea,
Nordvietnam, Laos, Kambodscha, Kuba, Grenada, Afghanistan, Angola,
Äthiopien, Mosambik, Nicaragua und Südjemen, insgesamt 26 Regime.
Diese kommunistischen Staaten und die von ihnen in anderen Ländern
unterstützten kommunistischen Guerillas sind ungefähr für 66
Millionen der 76 Millionen nach dem Krieg ermordeten Menschen
verantwortlich, eine Rate von 87 Prozent. Von allen Regimen
waren eindeutig die kommunistischen bei weitem die größten Mörder.
Während dieser Jahre hatten wir es zumeist eher mit Tod durch
Marxismus zu tun als allgemein mit Tod durch Staat.
Andere
Regime indes ermordeten zwischen 1946 und 1987 ungefähr 10 Millionen
Menschen. Dieses Töten geschah infolge von Versuchen, die Kontrolle
über Kolonien zu erhalten, wie etwa durch Frankreich und Portugal,
um das Land oder neu gewonnenes Territorium nach dem Krieg von
ethnischen Deutschen zu reinigen, wie etwa in Polen und der
Tschechoslowakei, oder es ging um ethnische Säuberungen wie
in Nigeria und Burundi, um Machterhalt, wie etwa bei der nationalistischen
Regierung Chinas und bei Pakistan, oder um eine Theokratie wie
im Iran oder um einen Staatssozialismus wie in Myanmar zu errichten.
Die
Tabellen
1-5 stellen die Demozidgesamtzahlen für jedes einzelne Regime
zwischen 1946 und 1987 sowie eine Rangliste der Regime in Bezug
auf deren Demozid für jedes Jahrzehnt dar. Für jedes Jahrzehnt
kann man den Demozid kleinerer Diktaturen und in den ersten
Jahrzehnten den massiven Beitrag der kommunistischen Regime
zur Gesamtsumme sehen. Doch mit zunehmender Annäherung an das
Jahr 1987 gab es mit dem Niedergang des Kommunismus auch einen
klaren Abfall des gesamten Demozids. Dies kann man am besten
in der Einzeljahraufstellung des gesamten Demozidaufkommens
in Abbildung
23.1 sehen („nichtstaatliche Regime“ in der Aufstellung
beziehen sich auf Guerilla-Organisationen und Terroristengruppen,
die ein bestimmtes Territorium kontrollieren, wie dies Castro
vor seinem Sieg über das Batista-Regime in Kuba tat). Der absolute
Höhepunkt des Demozids vollzog sich während des Zweiten Weltkriegs.
Doch anstatt daß dieser einen Endpunkt markierte, stellte sich
ein neuer Höhepunkt in den 50er Jahren ein, als ein neues kommunistisches
Regime nach dem anderen versuchte, seine Opposition zu eliminieren
und eine totalitäre Kontrolle zu errichten. Und mit der Etablierung
neuer kommunistischer Regime in den 60er Jahren sehen wir einen
weiteren Höhepunkt. Der nächste und letzte Höhepunkt in den
frühen 70er Jahren ist hauptsächlich bedingt durch den Demozid
Westpakistans im aufrührerischen Ostpakistan im Jahre 1971 (über
eine Million Ermordete).
Was
geschah seit 1987, dem Endjahr meiner Statistiken? Demozid geschah
natürlich auch weiterhin, wie jeder Zeitungsleser attestieren
wird. Etwa 500.000 bis 1 Million Ruander wurden erschlagen,
und ungefähr 2 Millionen Menschen wurden in Nordkorea während
einer anhaltenden Hungersnot (die aufgrund praktischer Ziele
auf Absicht beruhte) zu Tode gehungert. Möglicherweise wurden
in jedem der folgenden Länder, nämlich dem Irak, dem Sudan,
Somalia und Burundi, Hunderttausende von Menschen ermordet,
und geringere Zahlen von Menschen wurden im Kosovo, in Bosnien,
Algerien, Angola, Äthiopien, Uganda, Kongo, Zaire, China, Indonesien,
Kambodscha, Afghanistan, Indonesien und Nordkorea (zusätzlich
zur politisch motivierten Hungersnot) ermordet. Dann haben wir
Aserbaidschan, Liberia, Nigeria, Myanmar, die Türkei, Rußland,
Syrien, Sri Lanka und den Iran, wo seit 1987 Hunderte oder Tausende
Menschen ermordet wurden. Und zweifellos gibt es andere Staaten,
die es verdienen, wegen ihrer Demozide erwähnt zu werden, die
jedoch bislang der Aufmerksamkeit der Medien entgingen.
Wie
viele Leichen sollten also zu der weltweiten Gesamtzahl des
Jahres 1987 dazu addiert werden? Ich kann nur eine fundierte
Vermutung anstellen, doch würde ich die Zahl zwischen 3 und
6 Millionen ansiedeln. Sagen wir, daß eine plausible Todeszahl
bei 4 Millionen liegt. Für die Jahre 1946 bis 1999 würde dies
eine Demozidgesamtzahl von ungefähr 80 Millionen ergeben. Selbst
wenn die für 1988-1999 geschätzten 4 Millionen ungefähr richtig
sind, dann ist dies in absoluten Zahlen zwar eine gewaltige
Zahl von Morden, jedoch viel weniger als wir aufgrund der Durchschnittszahl
von Ermordeten pro Jahr zwischen 1900 und 1987 hätten erwarten
können. Tatsächlich hätten wir aufgrund dieser Durchschnittszahlen
ungefähr 19 Millionen zusätzliche Tote in den Jahren 1988 bis
1999 erwarten müssen.
Lassen
wir einen Moment innehalten und über die wahrscheinlich 80 Millionen
nach dem Zweiten Weltkrieg ermordeten Menschen nachdenken. Dies
ist eine Bilanz, die man unmöglich verdauen kann. Nur zwölf
Länder der Welt haben eine Bevölkerung, die größer ist als diese
Anzahl von Ermordeten. Es ist, als ob die Gesamtzahl der philippinischen
Bevölkerung von 79 Millionen ermordet werden würde, oder als
ob alle Menschen in der Tschechischen Republik, Ungarn, Belgien,
Portugal, Schweden, Österreich, Schweiz, Dänemark, Finnland
und Norwegen zusammen ausgelöscht würden – nicht durch irgendeine
Naturkatastrophe, die schnell tötet, sondern wie die meisten
Opfer in einem qualvollen und langsamen Tod durch die Hand eines
Staates. Um anders auf diese Bilanz zu blicken: Es sind allein
fünf mal mehr als die Summe der im Kampf Gefallenen aller Nationen,
die im Zweiten Weltkrieg kämpften. Wenn man die im Korea- und
im Vietnamkrieg Gefallenen dazuzählt, den tödlichsten Kriegen
seit dem Zweiten Weltkrieg, dann ist die Zahl der Demozidtoten
zwischen 1946 und 1999 immer noch fast drei mal höher als die
Gesamtzahl der Gefallenen. Vielleicht kann man diesen Demozid
immer noch nicht fassen. Dann betrachten wir dies: Kopf an Zehenspitzen
aneinandergereiht und bei einer angenommenen Körpergröße von
5 Fuß (1,52 Metern) würden 80 Millionen Opfer die Welt (am
Äquator) drei mal umrunden. Drei mal!
Doch
wie schon ausgeführt wurde, befindet sich Demozid in einem scharfen
Abwärtstrend. Wie kommt das? Wie aufgrund des oben genannten
klar sein sollte, ist der erste Grund dafür, daß die tödliche
totalitäre Variante des Kommunismus so gut wie tot ist. Sie
existiert nur noch in Nordkorea. Und China und Kuba haben sich
hin zu einer mehr autoritären und weniger totalitären Variante
bewegt. Ein zweiter Grund ist daß Demokratie – die Regierungsform,
die am wenigsten anfällig ist für Demozid, vor allem gegen seine
eigenen Bürger – überall in der Welt Verbreitung fand. Von vielleicht
etwa einem Dutzend Ländern im Jahre 1946 wuchs die Zahl der
Demokratien bis auf 114 von 191 Staaten im Jahre 1995. Das Zeitalter
des Totalitarismus ist vorbei und das der Demokratie ist angebrochen.
So viel ich weiß, hat seit 1987 kein demokratischer Staat Demozid
begangen (in Bezug auf bürgerliche und politische Rechte sind
bislang weder Rußland noch die Türkei eine liberale Demokratie),
was aufgrund des Mottos dieser Webseite auch vorhersehbar ist:
Macht tötet – je weniger Macht, desto weniger Demozid.
Zudem
wirken mit dem Wachstum der Demokratien Änderungen in Normen,
Struktur und Funktionieren des internationalen Systems dem Demozid
entgegen. Staatliche Souveränität ist nicht länger ein legales
oder konzeptuelles Bollwerk gegen eine internationale humanitäre
Intervention in einem Staat. Mithilfe der Vereinten Nationen
hat die internationale Gemeinschaft interveniert, um das Töten
in Bosnien und Ruanda zu stoppen, und während ich das hier schreibe,
führt die NATO eine Militäraktion gegen Serbien durch, um den
Demozid im Kosovo zu unterbinden. Diese Interventionen erfolgen
zugegebenermaßen oft zu spät. Und es ist richtig, daß es zu
viele Fälle von Massenmord gibt, die ignoriert werden. Doch
eine grundlegende legale Brücke wurde überschritten, und kein
des Massenmords schuldiger Staat kann nun sicher sein, sich
unter dem Vorwand schützen zu können, daß es sich um seine eigene
Angelegenheit handle. Dies hat sich nun besonders bewahrheitet,
erstens mit der vorangegangenen Schaffung eines temporären Tribunals
in Den Haag durch die UN, um die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen
im ehemaligen Jugoslawien anzuklagen und vor Gericht zu stellen,
und zweitens durch die Annahme (durch 120 von 7 Staaten) eines
Vertrags für die Einrichtung eines ständigen internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag im Jahre 1998, um Genozid, Kriegsverbrechen,
Aggressionen und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit
zu verfolgen. Das Gericht wird die Befugnis haben, Haftbefehle
gegen die Bürger eins Landes selbst gegen den Willen der betreffenden
Regierung auszustellen – ein bemerkenswerter Schritt, um Demozid
durch Staaten zu einem bestrafungswürdigen Vergehen zu machen.
Doch
es gibt immer noch sehr viel zu tun, um diesen Horror zu eliminieren.
Selbst in diesen Tagen und in diesem Zeitalter können wir erleben,
wie Kongos Regierung unter Präsident Laurent Kabila über das
staatliche Radio einen offenen Aufruf zum Mord verbreitet:
Die Leute müssen eine Machete, einen Speer,
einen Pfeil, eine Hacke, Spaten, Harken, Nägel, Knüppel,
Elektrodrähte, Stacheldraht, Steine und dergleichen
mitbringen, um, liebe Zuhörer, ruandische Tutsis zu
töten (zitiert aus dem Wall Street Journal, 19.
August 1998, Seite A-18) |
Die
meisten Demozidfälle, die auf dieser Webseite detailliert beschrieben
wurden, waren ebenso unverhohlene direkte staatliche Aktionen.
In der Tat war für viele Nationen, wie für die UdSSR, dem kommunistischen
wie dem nationalistischen China, Nazi-Deutschland, der Türkei
während des Ersten Weltkriegs und für die kambodschanischen
Roten Khmer Demozid genauso ein Bestandteil der Politik ihrer
Regierungen wie Gefängnisse oder eine Armee zu haben. Demozid
war kein Vorfall oder eine Episode, kein Zufall oder Unfall,
es wurde im Rahmen einer üblichen Abfolge von Ereignissen durchgeführt,
manchmal sogar um Regierungsquoten in Bezug auf die Zahl der
zu tötenden zu erfüllen.
Die
aus all diesem Horror zu ziehende Lehre ist klar, was auch der
jüngste Demozid bestätigt: Reduzieren Sie die Staatsmacht,
kontrollieren Sie und balancieren Sie sie aus, verteilen Sie
sie auf verschiedene Regionen und Kommunen, beschränken Sie
sie durch die Verfassung, und lassen Sie das Volk deren einzige
Quelle und Richter sein. Das heißt, verbreiten Sie demokratische
Freiheit!
ANMERKUNGEN
* Mai 1998. Dieser Text wurde für diese Webseite geschrieben, da
oft Fragen über Demozide seit dem Zweiten Weltkrieg gestellt
wurden.