Leben retten


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Über Rudolph Rummel

Interview mit Rudolph Rummel

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Übersetzte Texte:

a) Bücher:

Macht tötet, Kapitel 1

Tod durch Staat, Kapitel 1

Tod durch Staat, Kapitel 2

Leben retten, Kapitel 1

Leben retten, Kapitel 8

b) Artikel:

Genozid

Demokratische Friedensuhr

Demozid und Krieg ausmerzen

Demozid nach dem 2.Weltkrieg

 

 

Originaltitel des Buchs:
R.J. Rummel: Saving Lives, Enriching Life: Freedom as a Right And a Moral Good
(2001)

Kapitel 1:
Leben ohne Freiheit *

Staatsmacht tötet und macht das Leben arm

Milliarden Menschen leben ohne Freiheit, wie unten in Tabelle 1.1 gezeigt wird. In den schlimmsten dieser Länder leben sie in Angst und Unsicherheit. Sie sind buchstäblich Sklaven, gekaufte und verkaufte, oder sie sind praktisch Sklaven ihrer Regierungen. Sie sind hungrig, verhungernd oder von Krankheiten befallen. Sie leben in primitiven Flüchtlingslagern; sie erleiden Folter oder unmittelbare Todesdrohungen; sie sind krank und sterben schnell, ohne behandelt zu werden. Sie sind Gefangene, Insassen von Konzentrationslagern oder Todeslagern. Sie sind Kinder, die gefährliche Zwangsarbeit leisten. Sie sind Zivilisten, die sich vor Bombardierung und Beschuß ducken müssen. Sie sind Frauen, die Bürger zweiter Klasse sind und ihr Heim nicht verlassen dürfen, ohne sich komplett zu verhüllen, und ohne die Erlaubnis ihrer Ehemänner sowie ohne die Begleitung durch einen männlichen Verwandten. Sie sind Alte und Kranke, die unter gefährlichen Umweltbedingungen kaum leben können. Selbst diejenigen, die all diesem entfliehen und denen es gelingt, sich für den Moment glücklich und sicher zu fühlen, leben immer noch unter der realen Drohung, daß Krieg, Revolution, Krankheit, Hunger, extreme Armut und Mangel oder ein Diktator ihr Leben oder das Leben ihrer Lieben zerstört. So leben sie in Angst vor Verhaftung und Gefängnis, davor, für immer zu verschwinden, oder vor Zwangsarbeit, Genozid, Massenmord und unnatürlichem Tod.

Selbst in Ländern, die zum Teil frei sind, können sie immer noch willkürlich verhaftet, gefoltert oder ohne faires Gerichtsverfahren hingerichtet werden; sie können ausspioniert werden, und man kann ihnen ihre Grundrechte wegen ihrer Rasse, Religion oder Nationalität vorenthalten. Wenn man den Staat und besonders dessen Diktator oder Führer kritisiert, kann der Tod die Folge sein.

All dies ist abstrakt – es sind bloße Worte. Dennoch sind solche Abstraktionen letztendlich etwas Persönliches. Sudan mit einer Fläche von etwas mehr als einem Viertel der USA (siehe Karte und Statistiken zum Sudan und Weltkarte) ist so ein typisches Beispiel. Nehmen wir das, was Acol Bak passierte, einem Mitglied des Dinka-Stammes, einer Frau, die in dem südlichen Dorf Panlang lebte. Araber griffen ihr Dorf an und töteten ihren Vater, und obwohl ihre Mutter floh, ergriffen sie sie und ihren Bruder. Während sie auf ihren Köpfen die von ihren Häschern gestohlenen Waren tragen mußten, wurden sie dazu gezwungen, ohne Nahrung und nur fähig, aus schmutzigen Pfützen am Wegesrand zu trinken, drei Tage lang nach Norden zum Dorf der Goos zu marschieren. Dann trennten ihre Fänger sie und ihren Bruder und verkauften sie an zwei verschiedene Araber – ja, sie wurden verkauft so wie Menschen im Sklavenhandel des sechzehnten Jahrhunderts verkauft wurden. Sie sollte ihren Bruder nie wiedersehen. Ihr arabischer Herr hatte eine Frau und eine Tochter, welche sie zwangen, von morgens bis abends zu arbeiten: In Acols Worten: “Ich war der einzige Sklave in diesem Haus. Wenn ich sagte, ich sei müde, wurde ich von allen geschlagen.” Sie trug Narben dieser Schläge davon, und ihr wurde der Arm gebrochen. Ihre Unterkunft war einfach – im Freien und ohne Schlafstelle. Obwohl sie erst acht Jahre alt war, ließ der arabische Herr sie beschneiden, in Übereinstimmung mit der muslimischen Tradition und ohne Betäubung.

Doch anders als so viele Sklaven hatte Acol Glück. Eine ausländische christliche Gruppe, die aus eben diesem Grunde heimlich in den Sudan gekommen war, kaufte Acol zusammen mit 248 anderen Sklaven und ließ sie frei. Auch wenn diese Politik, Sklaven die Freiheit zu kaufen, umstritten ist und zu noch mehr Sklaverei anstiften könnte, war dies Acol egal. Sie war frei. Sie konnte in ihr Dorf zurück, wo ihre Mutter auf sie wartete.1 Dies passierte in unserem modernen Zeitalter – nicht im 17. oder 18. Jahrhundert, sondern in den Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Nicht alle diese armen Leute, die in die Sklaverei gezwungen wurden, waren Kinder. Soldaten vergewaltigten eine vierzig Jahre alte Frau, Akec Kwol, und brachten sie nach Norden auf einen Sklavenmarkt, wo sie sie wie ein Tier verkauften. Ihr Sklavenhalter versuchte ebenfalls, sie zu beschneiden, doch sie widersetzte sich und wurde mit einem Messer aufgeschlitzt und trug Narben davon. Wenn sie nicht schließlich aufgegeben hätte, so erklärte sie später, “hätten sie mich getötet. Da ich eine Sklavin war, hatten sie das Recht, mir alles anzutun, was sie wollten.” 2

Und dann gab es unter den Tausenden anderer Sklaven eine Victoria Ajang, eine Sudanesin, die jetzt in den USA lebt. Bezüglich ihres Entkommens aus der Sklaverei sagte sie als Zeugin vor dem Kongreß aus: “In einer Sommernacht überfielen plötzlich Militärkräfte der Regierung unser Dorf. Wir verbrachten den Abend entspannt zuhause, als berittene Männer mit Maschinengewehren hereinstürmten und jeden erschossen. Ich sah Freunde tot vor mir hinfallen. Während mein Mann unsere kleine Tochter Eva hinaustrug, rannte ich mit den wenigen Habseligkeiten, die ich schnappen konnte, davon. Überall um uns herum sahen wir Kinder, denen in den Bauch, in die Beine und zwischen die Augen geschossen wurde. Unter dem dunklen Himmel sahen wir Flammen aus den Häusern, welche die Soldaten in Brand gesetzt hatten, emporschlagen. Die Schreie der in die Häuser getriebenen Menschen erfüllte unsere Ohren, als sie verbrannten und starben. Unser Volk wurde in Asche verwandelt.”3  Sie und ihre Familie entkamen, indem sie in einen nahen Fluß sprangen.

Das Kaufen und Verkaufen von Sklaven im Sudan ist ironischerweise ein freier Markt. Es gibt kein Monopol und keine staatliche Kontrolle der Preise, die abhängig vom Nachschub schwanken. 1989 zum Beispiel kostete ein Sklave 90 Dollar, doch innerhalb eines Jahres verursachte ein Anstieg von Sklavenjagden einen Preissturz auf 15 Dollar. Das ist ungefähr soviel, wie eine Astschere in meiner örtlichen Eisenwarenhandlung kostet.

Wie kann eine solche Sklaverei in diesem Zeitalter des Internets und der Raumforschung existieren? Sie ist Teil eines Bürgerkriegs zwischen dem arabisch-islamischen Norden, der von einem fundamentalistischen Moslem-Diktator geführt wird, und dem mehrheitlich schwarzen Süden. Dieser Krieg begann 1989, als Generalleutnant Omar Hassan Bashir und die arabisch geführten Kräfte der Sudanesischen Volksarmee die damals herrschende demokratische Regierung stürzten und dem ganzen Land ein streng islamisches Recht und den islamischen Glauben auferlegten. Im Sudan leben ungefähr 34 Millionen Menschen, von denen Muslime ungefähr 70% darstellen, die hauptsächlich im Norden leben. Ungefähr 5% der Bevölkerung, die meisten davon Schwarze im Süden, sind christlichen Glaubens. Der Rest der sechs Millionen im Süden lebenden Menschen sind Animisten, welche der Natur und natürlichen Gegenständen ein Bewußtsein zuschreiben. Der Süden hatte einen geschützten und besonderen konstitutionellen Status unter der demokratischen Regierung, doch nach deren Sturz und besonders nach dem Versuch des neuen Regimes, islamisches Recht im gesamten Land durchzusetzen, rebellierte der Süden, was einen blutigen Bürgerkrieg zur Folge hatte.

Um den Süden zu besiegen und die arabischen Stammesmilizen zum Kampf zu motivieren, machte der Norden Sklaven zum Bestandteil seines Belohnungssystems, neben allem, was erplündert werden kann, und er gab den arabischen Soldaten einen Freibrief für Vergewaltigungen. Natürlich passen alte Menschen nicht in dieses Schema, da sie weder als Sklaven noch zur Vergewaltigung taugen, und so werden sie zusammengeschlagen, wenn nicht getötet. Junge Leute dagegen wurden oft zur Sklaverei verschleppt, es sei denn, sie waren aus irgendeinem Grund nicht dazu geeignet: Dann wurden auch sie getötet. In Übereinstimmung mit dem muslimischen Glauben sind alle Nicht-Muslime des Südens Ungläubige, ob Mann oder Frau, Jung oder Alt. Sie haben keine Rechte, noch nicht einmal das Recht zu leben. Sie können wie selbstverständlich getötet, versklavt, vergewaltigt und all ihrer Besitztümer beraubt werden.

In diesem Bürgerkrieg wurden durch Luftbombardements viele Menschen getötet, die in dicht besiedelten Gegenden des Südens lebten. Sogar Schulen wurden bombardiert und Kinder getötet. Auch Krankenhäuser blieben nicht verschont. Es gab viele Bombenangriffe auf das Samaritan’s Purse, das größte Krankenhaus im Südsudan. Bomber attackierten oft auch andere medizinische Einrichtungen, manchmal mit Streubomben. Was noch monströser ist: Der Norden bombardierte sowohl die Brunnen, welche die Südsudanesen mit Wasser versorgten, als auch Sammelstellen ausländischer Hilfslieferungen, einschließlich der Nahrung für die hungernden Südsudanesen. All dies trug, zusammen mit der sozialistischen Wirtschaftspolitik des Regimes, zu einer massiven Hungersnot bei.

Doch weil sie unter einem fundamentalistischen muslimischen Regime leben, genießen auch die weit vom Bürgerkrieg entfernten Nordsudanesen nur wenige Menschenrechte. Zum Beispiel drangsaliert und überwacht der Staat Frauen in Bezug auf korrekte Kleidung und verbietet sogar lose Leinenkleider. Frauen, die das Gesetz herauszufordern wagen, riskieren Verhaftung, Verurteilung durch ein islamisches Gericht wegen unmoralischen Bekleidens sowie die Auspeitschung, wie es neulich neun Studentinnen passierte. Frauen dürfen auch kein öffentliches Amt bekleiden, das ihnen Befugnisse über muslimische Männer gibt, und sie dürfen auch keinen Nicht-Muslim heiraten.

Weder Mann noch Frau haben Rede- oder Religionsfreiheit – alle müssen den muslimischen Glauben akzeptieren. Auch kann die Polizei jeden Bürger verhaften und bis zu sechs Monate ohne Gerichtsverfahren inhaftieren. Und selbstverständlich können Verdächtige während ihrer Haft erwarten, von Beamten gefoltert zu werden. Um diese religiöse Herrschaft zu fördern, ernennt der Staat im Gerichtswesen ausschließlich Muslime. Schlimmer noch, ein Muslim darf nicht zu einer anderen Religion konvertieren, da die Strafe darauf der Tod ist.

Neben den 20.000 bis 40.000 versklavten Menschen gehören zur sudanesischen Bevölkerung auch fast 4 Millionen Menschen, die aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben wurden – die größte Zahl aller Länder. Viele weitere Sudanesen haben das Land einfach aufgegeben. Anfang 1999 waren 352.000 Menschen geflohen, um dem Schicksal von ungefähr 1,5 bis 2 Millionen Menschen zu entgehen, die durch Krieg, Hunger oder Krankheit gestorben, oder kaltblütig von muslimischen Kräften oder Rebellen ermordet worden waren.

Doch der Sudan war ein Land, das sich im Krieg mit sich selbst befand und von staatsgemachten Hungersnöten und Seuchen befallen war. Was ist mit einem Land im Friedenszustand wie (siehe Karte und Statistiken und Weltkarte) Saudi-Arabien? Wäre das Leben für sie dort nicht besser als im Sudan? Das ist es insofern, als es dort weder Krieg, Rebellionen oder Hungersnöte gibt, welche Hunderttausende von Menschen umbringen. Doch wie im Sudan, erleiden dennoch auch die Saudis die eine oder andere Art der Repression. Es gibt keine Redefreiheit in Saudi-Arabien. Die Polizei kann Saudis verhaften, wenn diese auch nur die kleinste Kritik an der das Land regierenden Monarchie, am saudischen König oder einem anderen Mitglied des Königshauses oder an der islamischen Religion äußern. Die Menschen leben in Angst davor, etwas harmloses zu sagen oder zu tun, was sie ins Gefängnis führt oder ihnen Folter und Auspeitschung einbringt. Auch wenn sie unschuldig sind, können ihnen die Behörden sogar den Kopf abschlagen.

Sogar der Versuch, ehrlich zu sein, kann gefährlich sein. Ein armer Mann, Abdul-Karim al-Naqshabandi, weigerte sich offensichtlich, seinem Arbeitgeber durch eine Falschaussage zu helfen. Aus Rache ließ der mit guten Beziehungen ausgestattete Arbeitgeber ihn hereinlegen und für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte, in Haft nehmen. Um ein Geständnis zu erhalten, band ihn die Polizei wie ein Tier zusammen, schlug und folterte ihn. Schließlich unterschrieb er ein Geständnis, um seine Qualen zu beenden und jemanden von außerhalb seinen Fall anhören zu lassen. Selbst danach erlaubte die Polizei niemandem, ihn im Gefängnis zu besuchen. Und obwohl er erhebliche Beweise vorlegen konnte, die seine Unschuld belegten, und er die Namen von entlastenden Zeugen lieferte, wollte das Gericht ihm nicht das Recht zugestehen, sich selbst zu verteidigen. Er wurde 1986 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Die Macht von König Fahd Bin Abd al-Asis al Saud ist absolut. Es gibt keine Wahlen, keine Legislative und keine politischen Parteien. Sie alle sind illegal. Die Verfassung des Landes ist per königliches Dekret der Koran, das heilige Buch des Islams. Dessen Gebote sind Gesetz. Das bedeutet für die durchschnittlichen Saudis, daß sie besser Muslim einer bestimmten Auslegung, nämlich Sunnit, sein sollten (die Minderheit der schiitischen Muslime riskiert stets Verhaftung und Gefängnis), und daß sie dem religiösen Gesetz gehorchen müssen. Wenn sie es wagen, ihre islamische Religion herauszufordern, können die Gerichte sie rechtmäßig hinrichten lassen. Sie müssen ihren Mund halten, was jegliche Fragen angeht, die sie über die islamische Religion oder die Monarchie haben.

Betrachten wir nur die zwei sunnitischen Muslime Scheich Salman bin Fahd al-'Awda und Scheich Safr 'Abd al-Rahman al-Hawali. Allein wegen ihrer “extremistischen Ideen” und um sie Buße tun zu lassen, verhaftete sie die Polizei im September 1994. Sicherheitskräfte bearbeiteten sie Jahr für Jahr, bis ein Gericht im Juni 1999 über ihren Fall verhandelte, also fast fünf Jahre später.

Doch für einen muslimischen Mann ist das Leben einfacher. Diese nahezu totalitäre religiöse Herrschaft versklavt speziell Frauen, also ungefähr die Hälfte der Bevölkerung. Das Komitee zur Verhinderung des Lasters und zur Förderung der Tugend, die Mutawaa’in bzw. Religionspolizei, wacht über das Benehmen einer jeden Frau in Bezug auf die Verletzung des religiösen Rechts, welches von ihr streng durchgesetzt wird. So entstand ein unnachsichtiges und rigides Apartheidssystem gegen Frauen. In der Öffentlichkeit müssen sie die Abaya tragen, ein Kleidungsstück, das ihren Körper vollständig verhüllt und das jede Farbe haben darf, solange es schwarz ist. Sie müssen auch Kopf und Gesicht bedecken, worauf die Religionspolizei ein wachsames Auge hat.

Der unglückliche Fall der Nieves, eines philippinischen Dienstmädchens, liefert ein Beispiel dafür, wie diese Religionspolizei arbeitet. Nieves nahm die Einladung eines verheirateten Paars zu einem Restaurant an, um einen Geburtstag zu feiern. Zufälligerweise gesellte sich auch ein männlicher Freund des Paars zu der Feier. Dann verhaftete die zufällig vorbeikommende und die Gruppe ausspionierende Religionspolizei Nieves wegen des Verdachts, sich dort eingefunden zu haben, um ein Rendezvous mit dem Mann zu haben. Ein klarer unmoralischer Akt. In der Haft bestritt sie dies, doch da sie nicht arabisch lesen konnte, tricksten die Beamten sie aus, indem sie sie ein Geständnis unterschreiben ließen, von welchem sie dachte, es sei ihr Entlassungsbefehl. Das war Grund genug für das Gericht, sie wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Moral zu sechzig Peitschenhieben und fünfundzwanzig Tagen Gefängnis zu verurteilen.

Dann gab es die Philippinerin Donato Lama. Die Polizei verhaftete sie im Jahre 1995, da sie möglicherweise das unverzeihliche Verbrechen begangen hatte, das Christentum zu predigen. In einem enthüllenden Brief, in dem es darum ging, wie sie geschlagen wurde und wie sie ein Geständnis ablegte, schrieb sie: “Ich war in meinem verwundbarsten Zustand, als die Polizei mich wieder dazu drängte zu gestehen, da ich sonst weiter geschlagen werden würde. ‘Wir werden dich gehen lassen, wenn du dieses Papier unterschreibst. Wenn nicht, kannst du hier ebensogut sterben.’ Schlimm zugerichtet und nicht fähig, weitere Schläge zu ertragen, willigte ich ein, meinen Fingerabdruck unter das Papier zu setzen, ohne zu wissen, was ich da unterschrieb.”4 Das Gericht verurteilte sie zu 70 Peitschenhieben plus 18 Monaten Gefängnis.

Ohne die Erlaubnis eines männlichen Verwandten dürfen Frauen nicht ins Ausland reisen und nicht einmal mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Selbst dann müssen sie Busse durch eine separate Hintertür betreten und in der Frauenabteilung sitzen. Der Staat verbietet es ihnen, ein Auto zu fahren, ja sogar alleine aus dem Haus zu gehen. Ihre Männer oder männlichen Verwandten müssen sie begleiten, oder sie werden von der Religionspolizei “wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral“ verhaftet. Auch können Frauen keine Rolle im Parlament des Königs spielen. Wichtiger noch: Die Polizei ignoriert die häufige Gewalt gegen Frauen, vor allem durch deren Männer. Und was noch schwerer zu glauben ist: Schwer verwundete Frauen müssen immer noch die Erlaubnis eines männlichen Verwandten haben, um ein Krankenhaus zu betreten. Die Zeugenaussage eines Mannes zählt vor Gericht so viel wie die von zwei Frauen. Männer können sich grundlos von Frauen scheiden lassen, während Frauen gesetzliche Gründe geltend machen müssen. In der Schule dürfen Frauen viele Männern vorbehaltene Fächer nicht studieren, wie Ingenieurswesen und Journalismus. Um es mit den 1978 niedergeschriebenen und heute immer noch gültigen Worten der Feministin Andrea Dworkin zu sagen:

Frauen werden eingesperrt und ausgeschlossen, sie werden innerhalb ihres Landes in die Unsichtbarkeit in erbärmlicher Ohmacht verbannt. Es sind Frauen, die systematisch von Geburt bis zum frühen Tod systematisch erniedrigt werden, sie werden völlig, total und ausnahmslos ihrer Freiheit beraubt. Es sind Frauen, die in die Ehe oder ins Konkubinat verkauft werden, oft vor der Pubertät, die verkauft werden, wenn ihre Jungfernhäutchen in der Hochzeitsnacht nicht intakt sind; sie werden beschränkt, ignorant, schwanger und arm gehalten, ohne daß sie eine Wahl oder irgendwelche Ansprüche hätten. Es sind Frauen, die im vollen Einklang mit dem Recht vergewaltigt und geschlagen werden. Es sind Frauen, die kein Eigentum haben dürfen oder nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten oder irgendwie über ihre eigenen Lebensumstände entscheiden dürfen. Es sind Frauen, die einem Despotismus unterworfen werden, der keine Zurückhaltung kennt.5

In Bezug auf seine Behandlung von Frauen und Nicht-Muslimen sowie die Auferlegung religiöser Herrschaft über männliche Muslime, stellt Saudi-Arabien unter den Scheichtümern des Mittleren Ostens die Norm dar. Wir sahen diesen religiösen Absolutismus auch im fundamentalistischen Sudan. Und Algerien und Iran teilen ihn bis zu einem gewissen Ausmaß. Sogar in den nicht-fundamentalistischen muslimischen Ländern wie Ägypten und Pakistan verweigert der Staat die Menschenrechte und sind Frauen Bürger zweiter Klasse. Das Taliban-Regime in Afghanistan hat jedoch selbst Saudi-Arabien in dessen rauher und barbarischer Anwendung des Korans, der Verweigerung von Menschenrechten und der brutalen Unterdrückung von Frauen übertroffen. Die Gerichte können sie sogar für Ehebruch zum Tode verurteilen, so wie dies der Frau geschah, die von einem Taliban-betriebenen Radiosender einfach Suriya genannt wurde (die Taliban sind eine fundamentalistische Muslimkraft, die nun den größten Teil Afghanistans kontrolliert). Im April 2000 wegen Ehebruchs verurteilt, brachten Beamte sie zu einem Sportstadion und steinigten sie vor Tausenden von Zuschauern zu Tode. Die Taliban hätten kaum andere Methoden wählen können, jemanden hinzurichten, die grausamer, unmenschlicher und andauernder hätten sein können. Darüber, was mit dem in die Affäre involvierten Mann passierte, wurde nicht einmal ein Wort verloren.

Die beste Bezeichnung für das Leben aller Frauen in diesen muslimischen Ländern ist Halbsklaverei. Der einzige Unterschied zu richtiger Sklaverei ist, daß der Staat es nicht erlaubt, Frauen zu kaufen oder zu verkaufen. Andererseits stehen Frauen unter der völligen Kontrolle des Staates, ihrer Väter und Ehemänner.

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Während die Angst, die Unsicherheit und die Gefahren des täglichen Lebens, welche gewöhnliche Menschen im Sudan und in Saudi-Arabien erfahren, auch in vielen anderen muslimischen Ländern existieren, kann das Leben in einigen nicht-muslimischen Ländern sogar noch schlimmer sein, wie etwa in Burma (Myanmar). Dieses Land in Südasien (siehe Karte und Statistiken und Weltkarte) ist zu 89% buddhistisch und wird von einem sozialistischen Militärregime beherrscht. Das Leben hier ist höllisch, und zwar aufgrund der brutalen Repression der Militärs von abweichenden Meinungen und ihrer barbarischen Reaktionen gegenüber dem Aufstand von fast einem Dutzend ethnischer Minderheiten.

In den neun Dörfern der Gemeinde Weh Loh, im Nordosten von Rangen in der Nähe der thailändischen Grenze gelegen, kämpft die ethnische Gruppe der Karren seit langem für ihre Unabhängigkeit. Während der Erntezeit im März 2000 griffen Militärkräfte die Dörfer an, brannten Häuser nieder und zerstörten oder plünderten Besitztümer. Durch reines Glück gelang es einigen Dörflern, in den Wald zu flüchten, und sie ließen ihren Reis und ihre Habseligkeiten zurück, wobei sie ihren Hungertod riskierten – dieser war von den Militärs fast unvermeidlich gemacht worden, indem sie Feldfrüchte und Reisscheunen niederbrannten. Die Soldaten verbrannten sogar das geschnittene Gestrüpp, welches benötigt wurde, um den Boden für die Bepflanzung vorzubereiten. Und sie töteten diejenigen, die im Dorf geblieben waren, oder ergriffen sie als Zwangsarbeiter oder Lastenschlepper, oder um sie zum Militärdienst zu zwingen. Danach verminten sie alle Zugänge zum Dorf, um die Dörfler an der Rückkehr zu hindern.

Soldaten töten jeden Mann, der verdächtigt wird, ein Aufständischer zu sein. Es handelt sich dabei nicht allesamt um einfache Tode. Manchmal foltern die Soldaten ihre Opfer grausam und verlängern ihr Sterben, um so viele Qualen wie möglich zu verursachen. Frauen oder jungen Mädchen ergeht es nur unwesentlich besser: Die Soldaten vergewaltigen sie “nur”. Dann werden sie zusammen mit den Kindern und den am Leben gelassenen männlichen Dorfbewohnern zu Arbeitsstätten abkommandiert, wo sie Baracken, Verteidigungsanlagen, Straßen, Eisenbahnwege oder Zäune bauen oder Bambus und Brennholz tragen müssen. Alternativ dazu zwingen die Soldaten sie dazu, wie Lastesel Munition und Militärzubehör zu schleppen. Dies ist die gefährlichste Art von Zwangsarbeit, und viele sterben daran.

Selbst die Kinder entkommen nicht. Soldaten lassen sie routinemäßig solch schwere Arbeiten verrichten, ja sie werden sogar als Soldaten eingesetzt. Schlimmer noch, das Militär verkauft die Mädchen in die Prostitution in Burma oder jenseits der Grenze auf dem thailändischen Sexmarkt, wo bereits die Körper von 40.000 burmesischen Mädchen ausgebeutet werden. Und es kommt noch schlimmer: Das Militär hat Kinder dazu gezwungen, den Soldaten voranzugehen, um Minen auszulösen. Keine Militärmacht hat seit dem Zweiten Weltkrieg menschliche Körper dazu benutzt, auf diese Art Minen zu räumen. Damals zwangen die Sowjets Gefangene oft dazu, Minenfelder mit ihren Füßen zu säubern.

Auch wenn man von denjenigen absieht, die man zu Zwangsarbeit und Lastenschleppen heranzieht, ist auch die allgemeine Lage der burmesischen Kinder im Hinblick auf ihre Zukunft und das Land katastrophal. Sogar Kindern, die außerhalb der Bürgerkriegsgebiete leben, gehen nur selten zur Schule. Nicht mehr als ein Fünftel der Kinder gehen gerade mal vier Jahre auf die Grundschule. Mit einer größeren Wahrscheinlichkeit arbeiten sie auf irgendeine Weise, um ihrer Familie beim Überleben zu helfen, so wie dies nach UN-Schätzungen ungefähr ein Drittel aller Kinder zwischen 6 und 15 Jahren tun. Die Wahrscheinlichkeit ist sowieso schlichtweg gering, daß ein Kind bis zum Erwachsenenalter überlebt, da die Hälfte aller Sterbefälle dieses Landes Kinder sind.

In den Bürgerkriegsgebieten leben die Menschen, Kinder und Erwachsene gleichermaßen, routinemäßig am Rande des Todes. Zum Beispiel wies jeder, der in der Gemeinde Dweh Loh lebte, welche die neun von mir erwähnten Dörfer umfaßte, die gleiche Wahrscheinlichkeit auf, einerseits Zwangsarbeit zu leisten, ausgeplündert zu werden oder von Soldaten erpreßt zu werden, oder andererseits in die Wälder fliehen zu müssen. Diejenigen, die in anderen Gemeinden dieser Region lebten, konnten möglicherweise in die Wälder fliehen und dort mit knapper Not mithilfe irgendwelcher Lebensmittel, die sie anbauen konnten, überleben. Würden Soldaten diese Flüchtlinge finden, würden diese wohl erschossen oder unter Todesdrohungen als Lastenträger arbeiten müssen.

Das Leben war auch nicht besser für diejenigen, die im westlichen Nyaunglebin-Distrikt lebten. Sie mußten sich vor ausgesuchten soldatischen Hinrichtungsschwadronen hüten, die nach Rebellen oder deren Anhängern suchten und die hin und wieder in diesem Gebiet operierten. Wenn diese Soldaten einen Dörfler auch nur verdächtigten, den geringsten Kontakt zu den Kräften der Aufständischen zu haben, ja wenn sie nur dabei gesehen wurden, wie sie mit einem sprachen, der verdächtigt wurde, ein Aufständischer zu sein, dann schnitten sie ihm normalerweise die Kehle durch. Manchmal enthaupteten sie die Opfer auch und steckten deren Köpfe auf Pfähle, um die anderen zu warnen. Das allerdings war ein einfacher Tod verglichen mit dem, was Soldaten drei von ihnen gefangengenommenen Männern in Plaw Toh Kee laut den Schilderungen eines dortigen Dörflers antaten.6 Es spielte keine Rolle, daß es sich um einfache Bauern und Viehzüchter handelte, die bei den Dorfbewohnern und beim Dorfoberhaupt als gute Menschen galten. Die Soldaten verdächtigten sie, für die Rebellen zu arbeiten, und das genügte. Sie zwangen sie, sich tagelang an Bäume zu stellen, ohne Nahrung und Wasser, sie prügelten sie und schlugen ihnen ins Gesicht, da sie keine Fragen zu den Rebellen beantworten konnten, und dann schnitten sie aus ihren Körperteilen zentimetergroße Stücke heraus. Dann schnitten die Soldaten ihre Eingeweide heraus, stopften die Masse zurück in ihre Bäuche und ließen die armen Seelen in diesem Zustand stehen, bis sie sie schließlich töteten.

Dies ist lediglich eine grausame Geschichte, von denen ich sehr viele erzählen könnte, da dieser Bürgerkrieg seinen Tribut von unbewaffneten und friedlichen Dorfbewohnern fordert, die in der einen oder anderen Bürgerkriegsregion leben. Es gibt ungefähr siebenundsechzig verschiedene ethnische Gruppen in Burma, von denen jede eine eigene Sprache und Kultur hat, und viele von ihnen haben sich aufgelehnt und kämpfen gegen die Militärregierung.

Mit mal größerer, mal geringerer Heftigkeit dauern diese Aufstände seit 1948 an, wobei 200.000 oder vielleicht sogar 400.000 Burmesen ums Leben kamen. Beide Seiten haben zusätzlich 100.000 bis 200.000 Burmesen direkt ermordet. Darüber hinaus haben Rebellionen, Kämpfe und brutaler militärischer Druck auf das burmesische Volk bewirkt, daß 500.000 bis 1 Million von ihnen innerhalb des Landes vertrieben wurden, viele davon wurden vom Militär dazu gebracht, in unwirtlichen Zwangsansiedlungszonen zu leben. Andere sind ihrer Umsiedlung entgangen, um auf bloßer Subsistenzbasis in den Wäldern ohne Häuser oder Dörfer dahinzuvegetieren. Andere 215.000 wiederum sind ins Ausland geflohen und werden von den internationalen Flüchtlingsorganisationen formell als Flüchtlinge geführt. Weitere 350.000 Burmesen haben keinen Flüchtlingsstatus und hausen unter flüchtlingsähnlichen Bedingungen im benachbarten Thailand.

Die breite Mehrheit der Burmesen leben jedoch weit entfernt von den Bürgerkriegszonen und gehören nicht den aufständischen ethnischen Minderheitengruppen an. Doch sie haben andere Dinge zu fürchten. Burma ist eine Militärdiktatur, und dieses Regime ist willens, seine Waffen gegen unbewaffnete Menschen zu richten, die protestieren oder demonstrieren. Als Studenten am 7. Juli 1962 gegen das Regime demonstrierten, wurden 100 von ihnen von Soldaten erschossen. Am 13. August 1967 erschossen Soldaten auf ähnliche Art über 100 demonstrierende Männer und Frauen und sogar die sie begleitenden Kinder. Und so ging es immer weiter, von Demonstration zu Demonstration, bis es zum schlimmsten Vorfall dieser Art kam.

Am 8. August 1988 nahmen Ärzte, Studenten, Lehrer, Bauern, Musiker, Künstler, Mönche und Arbeiter in allen größeren Städten an friedlichen Demonstrationen für Demokratie teil. Das Militär verlangte, daß sich die Demonstranten zerstreuen sollten, und als diese das nicht wollten, feuerten Soldaten eine Salve nach der anderen in die Menschenmengen hinein. Sie massakrierten die unglaubliche Zahl von 5.000 bis 10.000 unbewaffneten Menschen, die lediglich versuchten, ihrem Wunsch nach Demokratie Ausdruck zu verleihen. Soldaten und Polizei verhafteten dann Hunderte von denen, die dieses Blutbad überlebten, und folterten sie im Gefängnis. Viele Tausende von ihnen entkamen in Grenzregionen und ließen ihre Lieben, Häuser und Habseligkeiten zurück.

Jene Burmesen, die zuhause blieben, Demonstrationen vermieden und keinen Verdacht erregten, konnten dennoch vom Militär zu Zwangsarbeit oder Transportdiensten vergattert werden. Von der Gesinnung her Sozialisten, waren die Militärs ehrgeizig darin, Eisenbahnen, Straßen, Flughäfen und dergleichen zu bauen. Und dafür rekrutierten sie einfach Zivilisten. Zum Beispiel gehörten diejenigen, die in der Nähe der 110 Meilen langen Strecke der vom Militär gebauten E-Tavoy-Eisenbahn in Süd-Burma lebten, zu den 200.000 Menschen, welche von den Soldaten dazu gezwungen wurden, für das Projekt fünfzehn Tage im Monat ohne Bezahlung zu arbeiten. Dann gab es 30.000 Menschen, die vom Militär für den Ausbau des Flughafens von Bassein rekrutiert wurden. Wer diesem Projekt entging, gehörte vielleicht zu den über 920.000 Menschen, die vom Militär dazu gezwungen wurden, an der Chaung Oo-Pakokku-Eisenbahn zu arbeiten.

Dann kamen die Soldaten zu meinem Haus und stießen meine Frau mit einem Gewehrkolben in die Seite. Sie traten sie hart in den Bauch, und sie erbrach Blut. Dann stießen sie meinen Sohn im Babyalter ins Feuer, und seine gesamten Kopfhaare verbrannten. Sie schlugen meinen 7-jährigen Sohn ins Gesicht und er schrie auf. Sie schlugen sie, weil ich entkommen war.7

Für diejenigen, die nahe an ihrer Scholle leben und völlig abhängig sind von dem, was sie anbauen und essen, ist Zeit gleich Nahrung. Die Tage, die das Militär ihnen durch Zwang und ohne Bezahlung wegnimmt, machen das nackte Überleben schwer. Der einzige Ausweg für viele ist zu fliehen oder sich um die Arbeit zu drücken. Doch dann kann die Strafe der Militärs für das Nicht-Verrichten der Arbeit noch schlimmer sein. Wie ein Flüchtling berichtete:

Diejenigen, die Zwangsarbeit verrichten, müssen am Arbeitsort schlafen, bewacht und ohne ein richtiges Dach, manchmal ganz ohne Dach über dem Kopf. Der Boden ist ihr einziges Bett. Um zur Toilette zu gehen, müssen sie die Erlaubnis des Wächters bekommen. Ihre einzige Nahrung ist die, welche die Arbeiter selbst mitbringen können. Und sie müssen aufpassen, nicht verletzt zu werden, weil es selten medizinische Versorgung gibt. Sie können auch, und viele tun es, an Krankheit oder Erschöpfung sterben. Wenn sie von ihrem Arbeitsort fliehen und Soldaten sie erwischen und sie Glück haben, werden die Soldaten sie nur schwer verprügeln. Auch lediglich ohne Erlaubnis Pause zu machen, kann dazu führen, daß sie von den Wächtern geschlagen und getötet werden. Dies passierte auch Pa Za Kung, einem Mann vom Dorf Vomkua in der Gemeinde Thantlang im Teilstaat Chin, der an der Straße von Thantlang zum Dorf Vuangtu Zwangsarbeit verrichtete.

Doch Lastenschleppen ist noch schlimmer. Wir haben bereits gesehen, daß das Militär diejenigen, die in Kriegszonen leben, zum Lastenschleppen heranzieht. Da sie für jeden Soldaten zwei Lastenschlepper benötigen, um das meiste an Nachschub und Ausrüstung zu transportieren, rekrutieren sie auch die Menschen, die außerhalb der Kriegszonen leben. Und Lastenschleppen ist schlimmer als Zwangsarbeit. Lastenschlepper leiden an Hunger, Unterernährung, Krankheit und Erschöpfung. Rebellenfeuer tötet sie, sie treten auf Minen, oder werden von Soldaten erschossen, weil sie ihre Körper nicht länger zum Arbeiten zwingen können. Oder die Soldaten lassen sie einfach ohne medizinische Versorgung, Nahrung, Hilfe oder irgendeiner Möglichkeit, nach Hause zu kommen, zurück. Zusammengefaßt ist dies eine andere Form von Sklaverei, welche von Millionen bemitleidenswerten Burmesen erlitten wird.

Burmesen haben in der Regel kein anderes Recht, als das, dem Militär zu dienen. Dies hätte sich vielleicht 1990 ändern können, als das Militär beträchtlichem internationalen Druck nachgab, welcher aus dem Massaker des Jahres 1988 an pro-demokratischen Demonstranten resultierte, und echte demokratische Wahlen abhielt. Und die Militärs waren schockiert, als die demokratische Opposition unter der Führung von Aung San Suu Kyi, die 1991 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, 82 Prozent der Sitze im neuen Parlament gewann. Das Militär weigerte sich daraufhin, seine Macht abzugeben, und hielt Aung San Suu Kyi seitdem praktisch unter Hausarrest. Sie verhafteten und folterten auch Tausende ihrer Anhänger und Mitglieder anderer politischer Parteien und töteten Tausende anderer oder ließen sie verschwinden. Sie verhafteten auch Hunderte der ins Parlament Gewählten und erlegten ihnen harsche Gefängnisbedingungen auf, woran einige starben. Der gewählte Abgeordnete Kyaw Min zum Beispiel starb an Hepathitis, die er sich während seiner Inhaftierung zuzog.

Nachdem es seine Lektion über die Macht der demokratischen Idee gelernt hatte, erlaubte das Militär keine weiteren politischen Aktivitäten oder Kritik. Es gibt keine Rede- oder Versammlungsfreiheit. Sogar in diesem buddhistischen Land beschattet das Militär die buddhistischen Mönche und hindert sie daran, in politische Aktivitäten involviert zu werden. Es legt auch den Führern anderer Religionen Restriktionen auf. Es darf keine Gewerkschaften geben. Nur ein Computer-Modem zu haben, kann Verhaftung, Folter und fünfzehn Jahre Haft einbringen. Ein Fax-Gerät zu besitzen, kann sogar Tod bedeuten, so wie im Falle der englisch-burmesischen San Suu Kyi, die Honorarkonsulin der Europäischen Union war. Es gibt kein unabhängiges Gerichtswesen, und Gesetz ist das, was das Militär befiehlt. Das Militär überwacht die Bewegungen der normalen Bürger, durchsucht deren Häuser zu jeder Zeit und verschleppt sie mit Gewalt aus ihren Häusern, um sie ohne Entschädigung oder Erklärung umzusiedeln.

Auch sind die Burmesen nicht frei, Unternehmen zu gründen oder zu investieren. Seit 1962, als das Militär die demokratische Regierung stürzte, verfolgte es einen „burmesischen Weg zum Sozialismus“. Dies ließ wenig Raum für private Geschäfte und einen freien Markt, und von den Militärs betriebene Unternehmen dominieren viele Bereiche der Wirtschaft, was dazu führte, daß der mächtigste Sektor der Wirtschaft der Heroinhandel ist. Dieser macht allein über 50% der Wirtschaftsleistung aus.

Das wirtschaftliche Resultat ist so, wie man es erwarten würde. Unter allen Ländern ist Burma nahezu ganz nach unten abgestürzt, was wirtschaftliche Freiheit angeht, möglicherweise nur noch besser dran als das kommunistische Nordkorea. Und das Land ist nahezu bankrott. Dennoch, vielleicht weil es die Lehren aus diesem ökonomischen Desaster gezogen hat, versucht das Militär nun, seine Wirtschaftskontrolle zu liberalisieren und hat ausländische Investoren eingeladen. Dennoch verdient der durchschnittliche Burmese nur ungefähr 300 Dollar pro Jahr.

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Burma ist ein kleines Land, das unterhalb der Landmasse Chinas im Norden kauert. Mit mehr als 1,26 Milliarden Menschen hat China ungefähr 20 Prozent der Weltbevölkerung (siehe Karte und Statistiken und Weltkarte). Man wird also viel wahrscheinlicher in China geboren als in jedem anderen Land. Und wäre das Leben besser gewesen als in Burma, Saudi-Arabien oder im Sudan? Das hängt davon ab, wann im zwanzigsten Jahrhundert Sie dort geboren wurden. Wenn vor zehn Jahren, dann ja, doch nicht, wenn irgendwann davor. Chinesen hatten ein hohes Risiko, an Krankheiten oder Hunger zu sterben oder durch Soldaten in einer der Hunderten von Schlachten getötet zu werden, die Kriegsherren immer wieder im ganzen Land ausfochten.

Und nach der kommunistischen Machtübernahme im ganzen Land im Jahre 1949 wurden Chinesen zu Millionen in den nationalen Kampagnen der Kommunistischen Partei getötet, wie der Landreform, der „Unterdrückung von Konterrevolutionären“, den Drei und Fünf Antis, der Kollektivierung und der Kulturrevolution. Die Partei ermordete schließlich kaltblütig mehrere zehn Millionen Menschen. Und diejenigen, die dieses monströse Blutbad überlebten, hatten gute Chancen, während der Hungersnot zu sterben, die durch die Industrialisierungskampagne der Partei, den “Großen Sprung nach vorn”, sowie der Kollektivierung aller Bauern in Kommunen und fabrikartigen Farmen bewirkt wurde. Diese Hungersnot passierte in den späten 50er Jahren bis zu den frühen 60er Jahren und war die schlimmste, welche die Welt jemals gesehen hatte. Womöglich verhungerten 40 Millionen Chinesen oder starben an hungerbedingten Krankheiten. Dies allein ist mehr als doppelt so viel, wie die 16 Millionen während des Zweiten Weltkriegs getöteten Kombattanten, einschließlich Deutschland, Sowjetunion, Japan, China, USA und Großbritannien. Dies alles habe ich detailliert in meinem Buch China's Bloody Century beschrieben.

Das Leben für den durchschnittlichen Chinesen ist nun besser. Sie haben vor allem größere Freiheiten, ein Unternehmen zu betreiben oder zu investieren. Die Partei läßt nun die Bauern weitgehend selbst entscheiden, wie sie am besten ihre Landwirtschaft betreiben, und läßt sie ihre Produkte verkaufen. Die Partei versucht, die Wirtschaft zu liberalisieren und privater Initiative und ausländischen Investitionen größeren Spielraum zu geben. In den 60er Jahren noch zutiefst verarmt, möglicherweise noch schlimmer dran als Burma, ist China nun ein sich rapide entwickelndes Land. Darüber hinaus sind Chinesen nun sicherer vor Parteikontrollen, Regulierungen, Interventionen und vor allem von Versuchen der Partei, über deren Leben und Kultur zu bestimmen.

Doch auf eine mildere und tolerantere Weise kontrolliert die Kommunistische Partei immer noch alle Aspekte des Staates – sie ist der Staat. Sie ist die oberste Instanz und teilt die Macht weder mit Legislative, Gerichten, Militär oder einer anderen Gruppe. Niemand wählt die hohen Parteiführer, die aufgrund eines Machtkampf innerhalb der Partei emporsteigen. Und mit Ausnahme jener Teile von Wirtschaft, Kultur und Familie, in Bezug auf welche die Politik der Partei liberalisiert wird, gibt es immer noch wenig, was ein Chinese ohne die Erlaubnis der Partei tun kann. Sie erlaubt fast keine Rede- oder Versammlungsfreiheit. Und sie erlaubt den Chinesen auch nicht, zu protestieren oder zu demonstrieren. Und egal welchen religiösen Glauben sie haben, er wird von der Partei kontrolliert oder illegalisiert.

Schauen wir uns an, was den praktizierenden Mitgliedern der Jesus Family widerfuhr, einer protestantischen Sekte, die von der Partei nicht gebilligt wird. Im Jahre 1992 umringte ein großer Haufen von Polizisten 61 Mitglieder, die einen monatlichen Gemeindegottesdienst in Duoyigou in der Provinz Shandong abhielt, und verhaftete sie. Die Polizei zerstörte ihr Dorf und konfiszierte alles Eigentum der Kirche. Ein Gericht verurteilte schließlich einige der Mitglieder zu Haftstrafen zwischen ein und zwölf Jahren, unter anderem wegen Teilnahme an einem “illegalen” religiösen Treffen. Das Gericht gab dem Sektenführer und dessen Söhnen die Höchststrafe wegen “Schwindels”, weil diese so dreist waren, Beiträge für die jährliche Weihnachtsfeier der Kirche gesammelt zu haben. Auch Kirchenmitglieder, die dem Gefängnis entgingen, wurden Jahre später von der Polizei drangsaliert. Nachdem diese Menschen ihr Dorf wiederaufgebaut hatten, sperrte die Polizei es ab, und diejenigen, die es betreten oder verlassen wollten, mußten fünf Yuan zahlen. Yuan Hongbing und Wang Jiaqi, zwei Rechtswissenschaftler, glaubten, daß dies ungerecht sei und versuchten, der Sekte dabei zu helfen, Rechtsbeistand zu bekommen, was nur dazu führte, daß auch sie von der Polizei verhaftet wurden.

Eine religiöse Geschichte dieser Tage ist die Verfolgung der Falun-Gong-Sekte durch die Partei. Diese Sekte (laut ihrer Mitglieder handelt es sich um keine Religion) kombiniert Taoismus und Buddhismus zusammen mit Meditations- und Kampfsport-Techniken zu einer spirituellen Vereinigung von Verstand, Geist und Körper. Es gibt 100 Millionen Anhänger in China, während die Partei behauptet, es gebe nicht mehr als 2,1 Millionen davon. Es ist indes klar, daß die Führer der Sekte sehr schnell viele Mitglieder versammeln können. Am 25. April 1999 zum Beispiel stand eine Menge von 10.000 Anhängern still vor dem Gebäudekomplex, das die oberste Parteiführung in Peking beherbergt.

Selbst Katholiken haben Repressalien erlitten, und viele können ihre Religion nur im Untergrund praktizieren. Die Partei betrachtet den Katholizismus als “fremden, imperialistischen” Import und hat stets versucht, ihn streng zu kontrollieren. Bischöfe und Priester wurden verhaftet und deren Kirchen niedergebrannt, und an einigen Orten wurden Kirchen als Fabriken getarnt, so daß Katholiken bei geheimen Gottesdiensten beten können.

Die Polizei verhaftet wahrscheinlich jeden Chinesen, der Falun Gong praktiziert, so wie sie es schon mit mehr als Hundert ihrer Führer und mit Tausenden ihrer Anhänger gemacht haben, wegen eines Delikts, das bis vor kurzem von der Partei als “konterrevolutionäres Verbrechen” bezeichnet worden war und welches sie nun etwas weniger politisch umbenannt hat in “Verbrechen der Störung der sozialen Ordnung”. Die Partei hält nun über 35.000 Falun-Gong-Mitglieder in Gefangenschaft oder im Gefängnis und hat mehrere von ihnen gefoltert. Und sie hat circa weitere 5.000 Mitglieder ohne Prozeß in Arbeitslager gesteckt. Infolge all dieser Mißhandlungen durch die Partei sind mindestens 89 Falun-Gong-Anhänger gestorben.

Obwohl diese Zahl klein ist und in einem solch riesigen Land irrelevant erscheint, war sie für jeden einzelnen dieser 89 und deren Lieben auf schreckliche Weise real. Die sechzig Jahre alte Chen Zixiu ist ein typischer Fall. Sie reiste nach Peking um darum zu bitten, daß die Partei ihre Restriktionen gegen Falun Gong aufhebt. Die Polizei verhaftete sie, schlug und folterte sie dann. Ihr alter Körper konnte dies nicht aushalten, und so starb sie nach vier Tagen. Als ihre Familie ihre Leiche abholte, fand sie überall Brandwunden, ihre Zähne waren gebrochen und in ihren Ohren befand sich getrocknetes Blut. Eine andere Frau, Zho Xin, eine Professsorin an der Pekinger Universität für Industrie und Handel, starb an Schlägen, die sie nach ihrer Verhaftung wegen des Praktizierens von Falun-Gong-Atemübungen in einem Pekinger Park erhalten hatte.

Die Partei kann noch nicht einmal etwas in Frieden lassen, was die meisten Menschen als Aberglaube oder einfach als gute Gesundheitsübung erachten. Es gab zum Beispiel eine Razzia gegen eine solche Gruppe, die Qi Gong betrieb, von denen über 21.000 Mitglieder verhaftet wurden, weil sie nichts anderes taten, als Atem- und Meditationsübungen zu praktizieren.

Aktionen gegen nicht-genehmigte Sekten oder religiöse Gruppen sind nur ein Beispiel der fortgesetzten Kampagnen der Partei, jegliche nicht-genehmen Versammlungen, Reden, Vereine, Bewegungen und dergleichen zu unterdrücken. In China darf es keine Organisation ohne die Erlaubnis der Partei und keine nicht-gewerbsmäßige Organisation ohne Registrierung geben. Die Partei muß alle Zeitungen, Magazine und andere Veröffentlichungen lizenzieren. Zensur ist alltäglich, und kein Buch darf ohne die Zustimmung der Partei veröffentlicht werden. Es gibt sogar Partei-Richtlinien für Veröffentlichungen wie zum Beispiel daß Zeitungsartikel zu 80 Prozent positiv und zu 20 Prozent negativ sein müssen. Die Verbreitung oder der Verkauf nicht-genehmigter Literatur kann eine lange Haftstrafe nach sich ziehen. Im Falle zweier Pekinger Buchhändler beispielsweise, der Geschwister Li Xiaobing und Li Xiaomei, wurden diese von der Polizei verhaftet, weil sie Falun-Gong-Veröffentlichungen verkauften, und das Gericht verurteilte sie zu sechs bzw. sieben Jahren. Die Polizei verhaftete sogar den Umweltjournalisten Dai Qing, der berechtigte Kritik an einem Mammut-Staudammprojekt am Jangtse-Fluß übte, im Zuge dessen der weltgrößte Wasserkraftdamm geschaffen und etwa zwei Millionen Menschen umgesiedelt werden. Ein Gericht verurteilte ihn zu zehn Monaten Gefängnis und erteilte ihm für die Zukunft ein Publikationsverbot. Selbst wegen der bloßen Erstellung einer Liste derer, die im Zusammenhang mit Protesten verurteilt wurden – nur wegen einer Liste – verurteilte ein Gericht einen Mann namens Li Hai zu neun Monaten Gefängnis. Denn schließlich sind Verurteilungen ein “hochrangiges Staatsgeheimnis”.

Verhaftung, Gefängnis, Arbeitslager, psychiatrische Klinik, gewaltsames Einflößen von Drogen, Gehirnwäsche, Psychofolter, physische Quälerei, Hinrichtung und simples Schlagen gehören alle zu den Methoden der Partei. Deren Ziel ist es, die chinesische Bevölkerung zu kontrollieren, die Parteipolitik durchzusetzen und die Macht der Partei zu erhalten. In all dem gibt es keine Menschlichkeit. Achten Sie darauf, wie die Gefängnisbehörden die 42 Jahre alte Cheng Fengrong behandelten. Sie schlugen die mit Handschellen an einen Baum gefesselte Frau, ließen sie barfuß im Schnee stehen und traten sie, und schließlich gossen sie kaltes Wasser über ihren Kopf, welches an ihrem Körper herunterfloß und sich an ihren nackten Füßen in Eis verwandelte.

Abgesehen von der großen Sorge der Partei darüber, was die Chinesen sagen und mit wem sie sich versammeln, gibt es noch weitere Gründe, warum man nicht gerne in China geboren sein möchte. Die Partei hält auch eine Beschränkung des Bevölkerungswachstum für eine vitale Angelegenheit. Daher dringt sie mit Gewalt in das Innerste der Seele einer Familie ein – in den Wunsch, Kinder zu haben. Seit 1979 diktiert die Partei, wer nicht mehr als ein Kind haben darf, eine Politik, die im großen Umfang auf die Han-Chinesen (92 Prozent der Bevölkerung) in städtischen Gegenden angewandt wird. Um Frauen daran zu hindern, ein zweites Kind zu bekommen, kann die Partei sie sterilisieren lassen oder sie im Falle einer Schwangerschaft zu einer Abtreibung zwingen. Wenn es in irgendeiner Region viele schwangere Frauen gibt, oder auch nur um sicherzustellen, daß es keine Zweitkinder gibt, können Parteibeamte eine lokale “Kampagne zur Reinigung des Bauches” durchführen, welche Hausdurchsuchungen und erzwungene Abtreibungen beinhaltet. Wenn eine Frau es dennoch irgendwie schafft, ein zweites Kind zu bekommen, wird das Paar wahrscheinlich von den Behörden mit einer Geldstrafe belegt, und das Kind wird diskriminiert, und es wird ihm nicht gestattet, bessere Schulen zu besuchen.

Was dem Besitzer eines kleinen Bekleidungsgeschäfts passierte, ist ein Beispiel für den Ärger, den eine zweite Schwangerschaft verursachen kann. Ich nenne die Frau mal X, da sie jetzt ein Flüchtling ist und fürchtet, daß die Partei ihr etwas antut, wenn sie ihren Namen erfährt. Nachdem sie ihr erstes Kind bekommen hatte, befahlen die Behörden ihr, ein intrauterines Gerät zu benutzen, um eine weitere Schwangerschaft zu verhindern. Sie tat dies eine Zeit lang, doch wegen damit verbundener Gesundheitsprobleme entfernte sie es insgeheim – und wurde schwanger. Als Parteibeamte dies herausfanden, verhängten sie über sie eine Geldstrafe und zwangen sie, sich einer Abtreibung zu unterziehen. Die Geldstrafe war zu hoch für ihre mageren Ersparnisse, und sie konnte sie nicht zahlen. Die Beamten beschlagnahmten daraufhin ihr Geschäft. Mittellos und verzweifelt lieh sie so viel Geld wie sie von ihren Verwandten bekommen konnte und floh alleine, wobei sie ihren Mann, ihr Kind und ihre Mutter zurückließ.

Das Ergebnis der Ein-Kind-Politik der Partei war vorhersehbar in einer asiatischen, männlich orientierten Gesellschaft. Wenn eine chinesische Frau glaubte, ihr erster Fötus sei weiblich, trieb sie es womöglich ab. Der zweite Versuch könnte ja männlich sein. Wenn ein weibliches Baby geboren wurde, wurde es womöglich von der Mutter oder ihrem Mann ermordet oder ausgesetzt. Kindsmord ist gängige Praxis, zu der manchmal sogar von den Parteifunktionären ermutigt wird. Das Ergebnis ist, daß ungefähr 119 männliche auf 100 weibliche Neugeborene kommen. Dies hat zu Spielplätzen mit einer Menge von Jungen, wenigen Mädchen und keinen Geschwistern geführt.

Für traditionelle chinesische Familien werden sogar noch schlimmere Ergebnisse gezeitigt. Wer wird sich um die alten Eltern kümmern? Diese ganzen Resultate haben dazu geführt, daß die Partei ihre Politik überdenkt. Eine sich daraus ergebende Reform ist es, Familien mit zwei Kindern zuzulassen, sofern beide Elternteile aus Einzelkindfamilien stammen.

Im Zuge der Lockerung einiger Kontrollen, einem viel freieren Markt und weniger Augenmerk auf die Gestaltung von Gesellschaft und Kultur, richtet die Partei nun viel weniger Menschen hin als noch vor Jahrzehnten. Doch die Zahlen sind im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch. Erwartungsgemäß ist nicht bekannt und schwer zu schätzen, wieviele Menschen die Partei ohne faires Gerichtsverfahren wegen politischer oder religiöser “Verbrechen” hinrichtet oder sonstwie tötet. Nach dem, was die Außenwelt weiß, wurden jedoch in einem einzigen Jahr, nämlich 1996, mindestens 4.367 Menschen durch die Partei hingerichtet. Mit weniger mehr als 20 Prozent der Weltbevölkerung und unter Berücksichtigung lediglich der dokumentierten Hinrichtungen, führt die Partei ungefähr 75 bis 80 Prozent aller gesetzlichen Hinrichtungen der Welt durch.

Hinrichtungen sind das Resultat offizieller Gerichtsurteile, doch Chinesen sterben auch “inoffiziell” durch Schläge, Folter oder andere Mißhandlungen durch Gefängnis- oder Arbeitslagerbeamte. Sogar die chinesische Presse berichtet manchmal über diese Todesfälle, so wie sie es im Falle eines Arbeiters tat, welcher der Unterschlagung verdächtigt wurde und starb, nachdem er 29 Stunden lang geschlagen und gefoltert wurde. Chinesen, die lediglich für Demokratie demonstrieren, können getötet werden. Von denjenigen, die an den gewaltfreien pro-demokratischen Kundgebungen auf dem Tiananmen-Platz in Peking im Jahre 1989 teilnahmen, wurden von Soldaten, gepanzerten Wagen und Panzern möglicherweise 10.000 Demonstranten getötet.

Auch können Chinesen kein anständiges Begräbnis erwarten, nachdem sie hingerichtet werden. Wenn sie auf dem Boden liegen, nachdem ihnen von hinten in den Kopf geschossen wurde, werden womöglich Ärzte die Organe aus den noch warmen Körpern entnehmen und sie schnell in ein Krankenhaus bringen. Und das ohne die vorherige Zustimmung der Hingerichteten oder deren Familien. Im Krankenhaus werden Ärzte dann die Organe in gut zahlende Ausländer oder in Mitglieder der Elite transplantieren. Oder die Ärzte werden die Organe für den Versand fertig machen, und die Partei wird sie auf dem internationalen Markt für Transplantate gegen sehr benötigte harte Währungen verkaufen. Eine chinesisch-sprachige amerikanische Zeitung inserierte solche Organe sogar für den Verkauf – ein ausgehandelter Preis betrug 30.000 Dollar.8

Es gibt noch mehr, was das Leben mit sich bringt, wenn man ein junger Chinese ist, der in China lebt. Diejenigen, die ihrer Hinrichtung oder dem Gefängnis entgehen, können immer noch zu Zwangsarbeit oder Umerziehungslager verurteilt werden. Das Leben kann jedoch in beiden Fällen schlimmer sein als im Gefängnis, und sogar der Tod kann angenehmer sein. So war es auch für den führenden Menschenrechtler Chen Longde. Nachdem er von Wächtern mit Keulen und Elektroknüppeln geschlagen und von anderen Insassen gefoltert worden war, denen man verkürzte Haftstrafen versprochen hatte, wenn sie ihn zu einem Geständnis veranlaßten, und nachdem er einen Nierenschaden davontrug, sprang er schließlich aus einem Fenster. Er überlebte, vielleicht unglücklicherweise, mit zwei gebrochenen Hüften und einem gebrochenen Bein.

Die Partei zwingt die Insassen dazu, eine Arbeitsquote oder gewisse “Reform”-Standards zu erfüllen. Eine Quote nicht zu erfüllen oder das kommunistische Dogma herauszufordern, kann tödlich sein. Die Lagerbeamten können ihnen einfach die Bezüge verweigern, oder was noch tödlicher ist, diese armen Seelen verprügeln, sie aushungern und sie für eine lange Zeit an schmerzhaft enge eiserne Beinfesseln oder in Handschellen legen. Die Quoten sind für die Insassen nicht einfach zu erfüllen, was es für sie erforderlich machen kann, übermäßig lange zu arbeiten und wenig, manchmal sogar nicht mehr als drei oder vier Stunden zu schlafen. Darüber hinaus können die Lagerbeamten die Arbeit mit benötigten kommunistischen Studien verbinden, was es noch schwerer macht, die Quoten zu erfüllen. In einigen Lagern schlagen und drangsalieren die Wächter die Gefangenen routinemäßig, um sie mehr arbeiten zu lassen. Natürlich schlagen Wächter die Gefangenen auch in anderen Ländern. Aber in China sind Prügel nicht das Ergebnis eigenmächtigen Verhaltens sadistischer Lagerwächter. Es ist die Methode der Partei, um das Arbeitsergebnis und die richtige Gehirnwäsche sicherzustellen. Insgesamt gibt die Partei zu, 1,2 Millionen Gefangene, einschließlich Häftlingen, zu halten. Diese Gesamtzahl liegt wahrscheinlich weit unter der tatsächlichen Zahl.

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China ist jedoch nicht der schlimmste Menschenrechtsverletzer in Asien. Wir haben bereits gesehen, wie das Leben in Burma aussieht. Und östlich von Burma und südlich von China liegt Laos, wo die Behandlung des Volkes durch die Laotische Kommunistische Partei, welche das Land kontrolliert, am besten als stalinistisch beschrieben werden kann. Und östlich von Peking liegt das kommunistische Nordkorea, nun der schlimmste Ort in der Welt zum Leben. Ich kann dieses Land nur beschrieben als ein schreckliches, eingegrenztes Sklavenarbeitslager, wie ich in Tod durch Staat detailliert beschrieb. Die nordkoreanische kommunistische Partei besitzt und diktiert alles. Es gibt nicht einmal in den innersten Nischen der eigenen Familie ein Leben unabhängig von der Partei. Deren Herrschaft ist absolut, unangefochten und über allem, sie besteht aus den Befehlen eines psychotischen Mannes, nämlich King Yong Il. Dies ist das einzige kommunistische Land der Vergangenheit oder der Gegenwart, in dem ein Diktator seine höchste Macht geerbt hat. Er ist der Sohn von Kim Il Sung, den Stalin im Lande installiert hatte als es im Jahre 1948 formell unabhängig wurde, und der mit nicht minder eiserner und blutiger Faust regierte als sein sowjetischer Mentor.

Die Partei befiehlt alles, sogar was die Bauern wann auf den Feldern anbauen und ernten, und hat Massenverhaftungen, Massensterben und Massenverhungern veranlaßt. Das Land wurde ruiniert, indem Kim Yong Il die meisten seiner Einnahmen für das Militär verschwendet. Jeder Nordkoreaner kann hingerichtet werden oder in einem der vielen Zwangsarbeitslager sterben (besser gesagt Unterlager, da ja das ganze Land ein Gefängnis ist), oder er kann an Hunger oder Krankheit sterben, so wie bereits viele Millionen.

Es gibt dieser Tage viele andere Länder mit eigenen scheußlichen Geschichten und Praktiken. In Ruanda töteten im Jahre 1994 Hutu-Soldaten und bewaffnete Zivilisten Hunderttausende Tutsis, und bewaffnete Tutsis rächten sich und ermordeten Hutus. Am Ende dieses genozidalen Gemetzels hatten Hutus und Tutsis fast 1 Million Ruander binnen weniger Monate hingemetzelt, wie in Kapitel 6 detailliert beschrieben. Der irakische Diktator Saddam Hussein vergaste kurdische Frauen und Kinder im Norden und zerstörte über 3000 ihrer Dörfer, er massakrierte schiitische Männer, Frauen und Kinder im Süden. Und 1971, wie ich ebenfalls detailliert in Tod durch Staat beschrieb, ermordete westpakistanisches Militär Hunderttausende ostpakistanischer (jetzt Bangladesch) Bengalen und Hindus. Und es gibt mehrere zehn Millionen andere, deren Ermordung ich in Kapitel 6 behandeln werde.

An dieser Stelle erwähne ich dies lediglich, um meine Botschaft klarzumachen. In solchen Ländern und anhand dessen, was wir über das Leben im Sudan, Saudi-Arabien, Burma und China wissen, ist das Leben der Menschen voller Krankheit, Hunger, Zwangsarbeit, Prügel, Folter und Tod. Deren Herrscher verfügen über absolute oder fast absolute Macht. Und bei denjenigen, die mit absoluter Macht ausgestattet sind, sind ihre Launen gleich Gesetz, ihre Phantasien sind Befehl und ihr Wunsch wird zur Kampagne. Sie sehen Menschen nicht als lebende menschliche Wesen, von denen jedes eine Person mit eigenem Bewußtsein und einer menschlichen Seele ist. Bürger sind eher Zement und Mörtel ihrer Herrscher, die damit ein Paradies auf Erden schaffen wollen, sie sind austauschbare Knechte, mit denen man einen Krieg führen kann, oder Roboter, die mit einem religiösen Text zu programmieren sind.

Doch mit welchem Recht kann man den Mangel an Freiheit in diesen Ländern kritisieren? Warum sollte man frei sein? Ist der eigene, persönliche Freiheitsgenuß oder der Wunsch nach Freiheit ausreichend, um ihn auch für andere zu rechtfertigen? Was meinen wir eigentlich wirklich mit Freiheit? Und was sind die Konsequenzen einer solchen Freiheit für das Volk und die Gesellschaft als ganzes?

ANMERKUNGEN

*  Geschrieben für diese Webseite. Ich bin Judson Knight zu Dank verpflichtet für sein sorgfältiges Gegenlesen und seine hilfreichen Kommentare zum Entwurf dieses Kapitels.

1. Linda Slobodian, The Slave Trail , 1947.

2. Karin Davies, "Slave Trade Thrives in Sudan".

3. Nat Hentoff, "Our People Were Turned to Ash: A Sudanese Women Tells Her Story" .

4. Amnesty International.

5. Andrea Dworkin, "Take Back The Day," 1978.

6. An Independent Report by the Karen Human Rights Group, March 31, 2000.

7. "A Comprehensive Response To Burmese Refugee and Displaced People Problem," The Parliament of the Commonwealth of Australia Joint Standing Committee of Foreign Affairs, Defense and Trade, October 5, 1994.

8.The Laogai Research Foundation .

 

Übersetzung: David Schah